Fred Keil F291 Der Garten der Erkenntnis Aachen 2009 Übermüdet von der Fahrt durch Frankreich kamen Berg und Korthaus am Abend gegen 21 Uhr in Avignon an. Sie nahmen in einem Hotel nahe des alten Papstpalastes ein Hotelzimmer, schlossen ihre staubigen alten Maschinen in der Hotelgarage ein und gingen nach einem kurzen Imbiss zum Ufer der Rhone spazieren. Korthaus fragte ihn: " Wir müssen bald nach Berlin, den ausgefallenen Vortrag nachholen. Aber Sie haben ihn sehr verändert, haben Sie den neuen Vortrag fertig ?" Berg antwortete: " Nicht ganz. Aber ich werde in einigen Tagen den grössten Teil fertig haben." Korthaus fragte: " Lesen Sie ihn dann vor ?" Berg antwortete: "Ja, gern." Einige Tage verbrachten die Beiden in Avignon. Berg stellte seinen Vortrag in den Grundzügen fertig. Er trug meist in freier Rede vor, hatte aber eine schriftliche Vorbereitung bei sich, auf die er gelegentlich, aber eher selten zurück griff. Sie gingen eines Abends wieder am Ufer der Rhone spazieren. Korthaus fragte: " Sie haben Ihren Vortrag dabei, lesen Sie ihn vor ?" " Gern. Gehn wir zum Ufer, suchen Sie ein Plätzchen und ich lese vor." Die Beiden ging an die Stelle der alten, nur zur Hälfte noch in den Fluß hineinragenden alten Steinbrücke. Korthaus fragte: " Bleiben Sie bei Ihrem Grundthema ?" Berg erwiderte: " Lassen Sie es in einem Bild mich zusammenfassen", sprach Berg: " Wir haben keine Singularität, keine Weltformel, keine Unendlichkeit, keine Ewigkeit sondern Pseudouniversalien: Fluss, Bewegung, Unbegrenztheit, Undefinerbares, Nichtidentisches." Korthaus nickte und antworete::" Von dieser weitgefassten Sicht zum Anwendbaren und Nützlichen, zur Praxis ist es ein weiter Weg." Berg sagte: " Das hat uns früher einiges Nachdenken gebracht." Korthaus stimmte zu und antwortete: " So was wie schlechtes Gewissen sogar." Berg erwiderte: " Bis man diesen Satz Nietzsches begreift: Man kann kaum etwas tun, dass der Menschheit schadet. Was schaden könnte ist viellicht längst schon ausgestorben." Korthaus führte den Gedanken fort: " Dank einer völlig unbegreiflichen Dialektik wird irgend- wann aus allen Expressionen etwas Brauchbares." Berg sprach: " Es wird genau darum in Berlin gehen, und um Erkenntnistheorie. Ich werde Ihnen das bisher entstandene vortragen: Sehr geehrte Dame und Herren ! Philosophie befindet sich zwischen den Stühlen. Sie ist unnützlich, ganz unbestritten. Sie vermittelt zur Ästhetik und Erkenntnis. Und sie ist nach meiner völlig voreingenommenen Position doch unentbehrlich. Die Vermutung Schopenhauers, dass ein Wille walte, ist naheliegend. Wille und Vorstellung sind als universales Prinzip eines von vielen möglichen, dem Subjekt Objekt Dualismus in grober Schematisierung ähnlich. Möglicherweise sind die wiederkehrenden Mechanismen selbst Ausdruck gröberer Strukturen, wie sie in den Grenzfunktionen hypothetisiert wurden. Diese Welterklärung, aber auch die Stromtherie und das Invertierungsmodell kollidieren mit den Grundprämissen der theoretischen Physik und der Kosmologie. Im Folgenden gilt die Annahme eines dem Modell universalen Wachsens gleichenden Makro- und Mikrokosmos, während das klassische Weltbild der von Gesetzmässigkeiten bestimmten Natur als perspektivischer Sonderfall behandelt wird. Aktio gleich Reaktio und der Energieerhaltungssatz gelten hier als unzulässige Generalisierung von nicht verstandenen Invertierungs- und Wachstumsvorgängen. Der Gedanke objektiver Zusammenhänge, die auch ohne ein vermittelndes Subjekt möglich seien, stösst an die Schwierigkeit, wie ein zeitlich definiertes Ereignis in Ursache und Wirkung überhaupt aussehen soll ohne subjektiven Bezug. Die Antwort, eine reine Objektivität wäre anzunehmen, ist nicht beweisbar. Denkbar ist, dass immer Subjekte tätig sind, dass Objektivität zugleich subjektive Tätigkeit ist, also eine Welt als Wille zu sehen ist. Die solchem Willen inneliegende Universalität, löst eben damit, dass er alles Allgemeine und jedes Besondere zugleich ist, seine Bestimmbarkeit auf. Er könnte ebenso auch nicht sein. Das Nichtidentische wird zur dominierenden Kategorie. Zeit, Raum, Proportion, Perspektive und andere Grundbegriffe werden unzuverlässig. Der Verlust einer alles einbindenden Deteminiertheit und Realität beschädigt auch den einen universalen Willen, der nichts hat als sich selbst und deshalb wider sich selbst wirkt. Dahinter steht die Entkräftung des einen universalen Subjekts, als welches das Ich sich erfährt, weil es Tat und Erinnerung und Dasein in einem ist. Bestehen bleibt aber der Prozess des Ichs. Weil er objektiv nicht möglich ist, muss alles scheinbar ihn Konstituierende in ihm selbst sein, das heisst: es gibt kein Ausserhalb. Damit wären Gesetzmässigkeiten und Regeln, auch reine Objektivität, Wiederkehr und Naturgesetze ausgeschlossen. Aber es gibt sie doch. Es sind Produktionen auf verschiedenen Ebenen, geleistet von menschlichen aber auch anderen Subjekten. Sie sind als Sein, Festes und Dauer perfekte Illusion, Schopenhauerisch gesehen: Vorstellung. Die Welt als innersubjektive, dem Wähnen und Wahn ähnelndes Dasein wird zur Wirklichkeit. Was ist die Realität ? Ein perspektivischer Sonderfall subjektiver Produktion ästhetisher Artefakte. Die Perspektive selbst ist ästhetisches Ereignis: Bühne und Performens in einem. Die längst überholte Diskussion um das Leib-Seele Problem, welches in der Frage des Materiellen und Imateriellen nachglimmt, hat in der technischen Entwicklung der Computer eine Art Wiederkehr erfahren. Software ist zwar nicht imateriell, aber doch nur indirekt durch materielle Bedingungen zu verstehen. Qualitativ dichte Pogrammierungen verbrauchen die gleichen Speicher-Resourcen wie einfache ungeregelt gesammelte Bits ohne Aussage. Das heisst, die qualitative Beschaffenheit der Software verhält sich gegenüber ihrer materiellen Basis gleichgültig. Der alte Gedanke eines von der leiblichen Basis unabgängigen Geistes und einer immateriellen Seele scheint möglich. Geistesinhalte sind im weitesten Sinne Gedächtnisinhalte. Sie betreffen potentielle Bezüge, meist sozialer oder funktionaltechnischer Art. Bezug und Zeit sind die Grundparameter des Geistes. Das Materielle ist daher entweder Interpretation oder Aspekt einer Energie in bestimmten Zuständen und Bezügen zum Subjekt. Materie ist konstituiert durch Subjekt-Objekt-Bezüge, nichts an sich Seiendes. Zwei Strömungen im Dasein dominieren das Bewusstsein: Das ästhetische Bedürfnis und das Sterben. "Philosophie treiben heisst lernen sterben zu können." sagt Montaigne. Dabei ist vielleicht nicht nur der Sterbevorgang in unmittlbarer Nähe zum Tod allein gemeint, sondern alles, was in den Erfahrungskreis des Sterbens, Absterbens, Abnehmens, der Distanzierung, der Verluste gehört. Erkenntnis ist in seinen tieferen Schichten Ausdruck subjektiver Selbsterhaltung, der Gedanke einer Realität Mittel dazu. Die Frage ist, ob überhaupt mehr möglich sein kann. Vermenschlichung der Natur, anders: Projektion, ist in den religiösen und obskuranten, sogenannt wissenschaftlichen Produktionen erkennbar an Attributen wie ewig, unendlich usw. die vor allem dem Nichtidentischen etwas Verlässlichkeit abringen sollen. Auch Begriffe wie Steuerungszentren, Form- geber usw. können zu religiösen Mutmassungen verleiten. Das folgenreichste Defizit wissenschaftlicher Bemühungen ist der unerschütterliche Positivismus: Was man hat, das hat man. Das ist der Grund für Sektenbildung, Suche nach Weltformeln, Weltbildern aller Art. Aber der Mittelpunkt liegt nur scheinbar im Ich, es hat nicht, was es hat. Es kann aber definieren ohne je auf objektive Konkurrenz zu stossen, kann die Welt sehen und leben auch als Idee und Augenblick. Erkenntnis verfolgt menschliche Interessen, vorrangig jene der Ausbreitung, der Erhaltung und des Genusses. Da es keine Objektivität gibt, die nicht in Wechselwirkung mit dem Subjekt steht, kann ein interessenfreies Erkennen, ein Wissen an sich gar nicht existieren. Wo es so erscheint, in der Kosmologie, Elementarphysik und anderen Bereichen, sind oft mittelbare Interessen, Gewohnheiten usw. zu finden. Erkenntnistheorie ist deshalb immer zugleich Psychologie, neben ihren anderen Richtungen. Der Mittelpunktsgedanke kann nicht völlig verschwinden. Es ist das Ich sich selbst zuerst Mittelpunkt, dann erst kommt das Andere. Der aufgeklärte Geist kann nicht übersehen, wie wenig autonom das Ich in der materiellen Welt wirklich ist. Darin dürfte eines der Motive liegen, den Mittelpunkt nach außen zu verlegen. Früher waren es Götter, heute sind es Urknall, Natur u.a. Kategorien. Bemerkenswert ist es, dass die erlesensten Geister der Geschichte eine Weltformel formulierten und nicht stutzig wurden. Nietzsche gehört zu den Ausnahmen. Resignation ist nicht erforderlich. Man lebt auch auf schwankenden Flössen, es ist möglicherweise eine Gewöhnungs- sache. Die philosophische Frage nach dem Sinn des Nachdenkens gehört zum Problemkreis der Freiheit. Er ist möglicherweise ebenso typisch menschlich wie die Frage des Todes. Ob es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Überschuss und dem Freiheitsbedürfnis ist eine damit ebenfalls auftretende Überlegung. Selbsterhaltung mag auch dahinter stehen. Gesetzt den Fall, Freiheit ist ein Bedürfnis, welches mit dem ästhetischen zusammenhängt, so sind Unfreiheit, Enge, entkunstetes Dasein ein zusammenhängedes Kontinuum, ebenso gefährlich wie Erbschäden und Viren. Philosophie ist in dem Ringen um Freiheit unter diesen Gesichtspunkten eine Form der Selbsterhaltung. Die Selektion lässt nicht anpassungsfähige oder zu sehr abweichende Organismen verschwinden. Die Entstehung neuer Formen ist wesentlich schwerer zu begründen. Mutationen, die dazu bemüht werden sind überbewertet. Die Formen- epressionen und das dazu gehörende ästhetische Bedürfnis sind Fragezeichen. Sie mit Determinismus und Notwendigkeit zu begründen ist wenig überzeugend. Sie liegen nahe bei Konstrukten wie Wille und Wille zur Macht. Innerhalb des geselligen Lebens konkurrieren erhaltende und expressive Strukturen. Streben zum Sein, zur Dauer, zur Wiederkehr stehen den beweglichen, verändernden Elementen teils entgegen. Oft sind es Freiheit und Unfreiheit, die im Widerspruch stehen. Friedliche Zeiten führen zu einer Realitätssicht, in der Technik, Landwirtschaft und Verwaltung als Notwendigkeiten gelten, während Kunst und Luxus als Beiwerk gesehen werden. Es ist das bürgerliche geordnete Leben, mit fliessendem Wasser und Wandschmuck, Arbeitsplatz und Strandurlaub, welches sich über alles legt und die Bedeutungen setzt.. Das Bild täuscht. Man sieht nicht die treibenden Kräfte. Abenteurer, Aufklärer, Künstler und Denker bereiten arbeitsteilig den Boden vor, auf welchem sich das Leben abspielt. Auf biologischer Ebene sind es Spiel und Wagnis, Verrückt- heiten und Experimente. Ohne alles das wäre die Entwicklung bei den Molekülen hängen geblieben. Furcht, Furchtlosigkeit und Überleben sind in kaum erfass- baren Gedanken- und Handlungsgeflechten wirksam. Widersprüchliche Kräfte müssen gebändigt werden. Furcht kann zur vernünftigen Vorsicht und zur Feigheit führen. Das erste muss sensibilisiert das zweite überwunden werden. Ebenso die Todesangst. Aber Tollkühnheit kann zu tötlichen Unfällen führen, während permanente Angst zur Lebensvermeidung führt. Die selektiven Kräfte können beim extrem ängstlichen ebenso zu Schäden führen wie beim waghalsigen. Glauben, Fürwahrhalten und Projektionen verändern als zweischneidige Hilfsmittel die Geschehnisse. Erkennen, Betreiben von Wissenschaft und psychologischem Training verändern ebenfalls die Handlungsmöglichkeiten. Viele Formen von Grössenwahn, sei es die Selbsteinschätzung als Auserwählter, Allwissender, göttlich Vorbestimmter, Stärkster usw. kann zur Kraftvermehrung genutzt werden, aber auch zu gefährlichen, aus Fehleinschätzungen resultierenden Handlungen führen. Ebenso das Bewusstsein vom Tod. Weitgehende Verdrängung kann das Leben erleichtern, aber auch zu gefährlichen Durchbrüchen führen, die zum Versagen beitragen. Die Stoiker haben deshalb Vorsicht walten lassen und jenseitige Pojektionen möglichst vermieden. Tollkühnheit in der Frage eines erreichbaren sehr lange dauernden Lebens kann in wissenschaftliche Bemühungen über- setzt dazu führen, dass man ein langes Leben erreicht. Die Skepsis ist ein Hilfsmittel, das den Verlust der Distanz, der Vernunft und den Umschlag in Wahnsinn vemeidet. Unbeschwertes Leben wird erst erreicht, wenn die Todesangst verschwunden ist. Es ist unsinnig im Verlust des Ichs mehr zu sehen als im Verlust eines beliebigen Objekts, aber die falschen Vorstellungen sind schwer zu entkräften. Furcht ist aber auch ein Relikt der Evolution, verbunden mit dem mimetischen Impuls, der bis in die Panik und Massenhysterie nachwirkt. ER ist ein Urtrieb der Säugetiere, er lässt nicht nur mitfühlen und nachahmen, sondern er liefert auch nachempfundene unsinnige Gefühle. Man sieht einen regungslosen Körper und erzeugt Gefühle, wie es sich fühlt, selbst regungslos zu sein. Man fühlt sich schlafend in der Vorstellung und ist ebenfalls reglos. Es wirkt eine unsinnige Psychologie, oft unsinniger Mechanismen. Der neuronale Apparat funktioniert irrsinnig. Er ist entstanden durch Evolution, die mit unsinnigen geerbten Lebensbruchstücken der Ahnen durchsetzt ist. So fühlt man beim Toten dessen Nichthören, Nichtsehen und erwartet vom Tod ähnlich zu fühlen, wie man im Nachempfinden jetzt fühlt. Man erzeugt die Illusion etwas Bekanntes zu fühlen. Wiederholung und Wiedererkennen werden angestrebt, weil evolutionöre Schritte nur so gelingen. Es geht nicht um Wahrheit, sondern um Leben. Lustprinzip, Wohlbefinden, Ruhe, Essen, Drogen usw. sind alles Zielrichtungen, von denen man anninmt, sie wären lebens - und erstrebenswert. Es ist das mimetische Erbe, welches auch hier wirkt. Das zufällige Auftreten willensfähiger Gebilde hat zu Ideen wie: kosmisches Bewusstsein, Dämonen, Götter, Wille usw. beigetragen. Es scheint rätselhaft, dass nicht nur Einzelwesen, Arten sich ausbreiten sondern auch komplexe Gebilde, Krankheiten, gesellschaftliche Strukturen, vielleicht auch mikro- und makrokosmische Gebilde. Sie agieren wie willensfähige Wesen und sind oft mit anderen in Wechselwirkung, die den Organen in einem Körper gleich kooperieren. Manchmal aber auch im Gegenteil zersplittert scheinen, obwohl sie zusammen hängen in einem Gebilde. Es wird sichtbar, das hier jedes Begreifen aufhört und zwei grobe Verfahren erkennbar werden: Das fast passive Analysieren und Abbildschaffen und andererseits die aus dem Zentrum, einem "Ich" heraus initiierten Taten. Erkenntnis ist nur sehr begrenzt möglich, da jede Lebensregung Handeln und zugleich Produktion ist. Das Erkannte ist etwas Produziertes. Der Gedanke ist ein Feuern der Neuronen, die Vorstellungen sind Geschehen und Bühne. Auch das Wiederholen, das Objekt, aus Wiederholungen von Vorstellungen bestehend, gehören alle in den produktiven Strom, welcher Wirklichkeit ist. Wenn man sich eine Gedankenkette ansieht, entdeckt man viel- schichtige organische Abläufe, die an bestimmten Stellen Handlungen, Vorstellungen hervorbringen, die zu Wieder- holungen zu führen scheinen und zu wiederkehrenden Ergebnissen, zb. man isst und ist dann gesättigt, erkennt eine Strasse und betritt ein bekanntes Haus. Aber während- dessen verändert man sich, altert, baut den Körper um, verändert das Gehirn. Den Objekten geschieht Ähnliches, oft in unmessbarer Feinheit. Der Abgleich von Absicht und Handeln erfolgt beständig mit Korrekturen, nicht nur in den Zieleinstellungen sondern auch in den Interpretationen der Resultate. Man sieht etwas als Gleiches um damit Ungleiches in Gleiches einzuschmelzen. Folglich nimmt die Menge der Aktivitäten, der festen und variablen Dinge zu. Da dieser Prozess alle Objekte und Begriffe, auch Subjekt und Ich, jedes Werden betrifft, nimmt auch die Energie zu. Der Erhaltungssatz dürfte ein Fehlschluss sein, der in mangelnder Auflösung des Erkenntnisapparates begründet ist. Er gilt nur temporär. Eine positive Bestimmung ist nur in besonderen Fällen haltbar. Eine Weltformel dürfte als universale Fehlerbeschreibung gelten, ihre Aussagen würden eine Universalität von nichidentischen Bstimmungen enthalten. Die Grenzfunktionen könnten einiges davon aufdecken. Nietzsche war den Zusammenhängen auf der Spur. Sein Satz, wenn das Universum ein Ziel hätte, wäre es bereits erreicht, kommt der beschränkten Gültigkeit der Kosmologie nahe und ist eine Absage an den Maschinenkosmos, (und die Enthropie), der einmal im Urknall aufgeladen wurde und abläuft bis seine Energie verbraucht ist. Es ist auch ein Fragezeichen an den Determinismus, den er in der Wiederkunftslehre unter der Tarnung eines Spiels aufleben lässt. Es geht aber nicht um Dauer und Ursachen sondern um Nicht- identisches und Grenze. Die Inder sagen, der Sansara ist unausdenkbar, und meinen damit das Gleiche. Diese Einwirkung der Grenzfunktionen könnte sowohl den Glauben an positiv Seiendes als auch an Endliches und Unendliches verschuldet haben. Man sieht immer begrenzte Objekte und Zeiten. Das Subjekt, sich selbst ein Objekt, kann nicht anders: es ist begrenzt und ist erst durch Grenze. Der Gegenreflex, Phantasien von Unendlichkeit, sind nicht eine wirkliche Ergänzung, sodaß mit Grenzerfahrung und Unendlichkeitsphantasien das Ganze hergestellt wäre, sondern es bleibt der begrenzte Horizont des Menschen als etwas Begrenztes im Nichtidentischen. Ganzes ist Schein. Man kann nur einfangen, was sich in unseren Fischernetzen einfangen lässt, sagt Nietzsche. Der Produktionscharakter jeder Lebensregung lässt immer wieder ein menschliches Produkt heraustreten. Auch das Fangen und das Gefangene werden zum Produkt. Wo sie es nicht werden, bleiben sie unerkannt, wie ehemals das ultraviolette Licht. Erkenntnis unterlag seit unvordenklichen Zeiten der frühesten Arbeitsteilung. Die Jäger und Krieger, später auch Viehzüchter und Ackerbauern wandtem Erkanntes praktisch an und sicherten das Überleben. Medizinmänner, Priester, Denker und Philosophen übernahmen die übrig gebliebenen Aufgaben. Dazu gehörte auch die früheste Psychologie. Angstbewältigung durch Schamanenzauber ist dafür typisch, aber auch die Philosophie Lao Tses, der die Nebenwirkungen der produktiven Fortschritte aufzufangen suchte. Da die Überraschungen zunehmen und Dinge nützlich wurden, die als gefährlich galten, so die Pflanzengifte zur Heilung, wurde auch zweckungebundene Erkenntnis zum Vorteil. Abgesehen vom Spiel, das ins Uferlose geht, sind auch die evolutionären Vorteile bedeutend und Motiv. Raum und Zeit sind unendlich, die Objekte sind begrenzt und endlich. In der Kosmologie gibt es Modelle, die einen Anfang und ein Ende haben, aber auch solche, die zwar einen Anfang aber kein Ende kennen. Alle Modelle sind nachvollziehbar, halten aber bestimmten Perspektiven nicht stand. Ein strahlendes Universum wäre längst zerstrahlt und verschwunden, wenn es einen Anfang hätte. Wäre es anfangslos, so bliebe nur ein pulsierendes Universum möglich. Warum sollte ein solches Universum seine Begrenzungen im Raum beibehalten? Die Masse und Regelmässigkeiten können über den Subjekt-Objekt Bezug hinaus bestimmbar nicht sein. Ein idealistisches aus dem Ich heraustretendes Universum ist wahrscheinlicher. Fichte hatte recht. Aber es widerspricht allem. Folgendes Modell: Der Vorrang des Nichtidentischen führt nur deshalb zu identischen Grössen, weil sie ständig vom Ich gesetzt werden. Das Ich konstruiert die Welt. Die Zusammenhänge sind voll- ständig verdeckt, weil sie nicht im Subjekt-Objekt-Bezug erfasst werden. Nichtidentisches kann nicht Objekt werden, weil es nur ein immer ausser der Zeit gesetztes Nichtist. Wie eine Objektivität ohne Subjekt aussehen könnte, ist nicht vorstellbar. Nimmt man ein Haus, welches man betritt, so erscheint es einfach sich vorzustellen, auch ein Tier würde es ähnlich betreten können wie ein Memsch. Das Tier ist in diesem Falle von seiner Funktion her nichts anderes als ein Subjekt. Das Beispiel zeigt, dass es nicht darauf ankommt, ob das Subjekt ein Mensch ist. Der Mensch ist aber trotzdem darin enthalten, da er das Beispiel arrangiert hat. Die physikalischen Funktionen sind auch ohne Subjekt wirksam, denkt man. Aber das täuscht, denn wo ist eine Funktion abgegrenzt, räumlich, zeitlich, stofflich ?. Es wäre denkbar, alle menschlichen Definitionen wegzulassen, es bliebe etwas übrig, vermutet man. Wo und wie hängt es zusammen ? Für keinen Zusammenhang gibt es einen Vorrang. Man kann den Raum definieren, in dem das Haus steht, aber auch einen Raum, in dem nur eine Mauer des Hauses ist und die Luft daneben. Das auf alle Modelle übertragen ergibt eine vollständige Fragmentierung der Objektwelt. Es ist für die Vorstellungskraft schwer, die noch in jedem Fragment wirksame Produktivkraft der Ordnungsstrukturen, die vom Subjekt produziert werden, zu erkennen. Sie sind überall. Das Subjekt ist die Totale. Diese wäre ohne die Objekte, die sich dem Subjekt prinzipiell entziehen, die ihre Einverleibung verhindern, eine Dichte ohne Kontur, also unerfahrbar: Bestimmtes ist nur durch Unbestimmtes. Ansatzweise ist hier die an anderer Stelle einmal dargelegte 4. Grenzfunktion sichtbar, nach der alle einzeln betrachteten Elemente, Dinge, Funktionen alle anderen nach sich ziehen. Eine durchgehene Rekonstruktion der Totale im Besonderen ist wirksam. Weil ohne das besondere Ich alles nur Nichtich ist und umgekehrt in einem unedlichen Universum das Subjekt völlig zu verschwinden droht, ist ein, wenn auch sehr flüchtiges, Dasein: Vermittlung. Allein in der Bewegung, die Beides ist, Bestimmtes im Unbestimmten, gibt es diese Wirklichkeit. Entstehung, Wachstum und Dauer sind rätselhaft. Vergehen, Verbrauch, Verlöschen sind vertrauter, da sie im Produzieren immer wiederkehren. Man bewegt sich, bis man ermüdet, lässt einen Motor laufen, bis er verschlissen ist und funktions- untüchtig wird, altert und stirbt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass man in der Philosophie und Kosmologie, besonders in der Physik Modelle vorfindet, die mit Zerstrahlung, Ermüdung, Absterben und Enthropie zu tun haben. Die Religionen haben versucht diesem Absterben etwas entgegen zu setzen mit Gegenbegriffen wie Ewigkeit, Unend- lichkeit, Wiedergeburt usw. Auch den Physikern ist mit dem Erhaltungssatz der Energie etwas eingefallen. Der sich verschleissende Kosmos würde ohne den Erhaltungssatz sehr instabil werden. Die Sinnfragen sind ein deutliches Zeichen der Irritation. Als soziale Bindekräfte sind sie notwendig, als philosophische Kategorien ein Irrweg. Die ästhetischen Höhepunkte, die man als Sinn des Daeins verstehen kann, finden ihren Sinn in der Sinnlosigkeit. Schwäche ist gefährlich und erzeugt Angst. Sterben ist die Gefahr in höchster Form und erzeugt die Todesangst. Folglich werden jenseitige Vorstellungen hervorgebracht, die Trost versprechen. Aber despotische Gesellschaften bauen auch furchterregende Vorstellungen in ihre Religionen ein, da Furcht ihr Herrschaftsmittel ist. Das Offene, Nichtidentische ist schwer zu halten. Der Mensch wird im Krieg der Evolution ständig gefressen. Als Körper von Bakterien und Tieren, als Bewusstsein von Gedanken und Emotionen. Furcht und Angst tragen ein Doppelgesicht. Einerseits notwendig sind sie zugleich Hebel zur Unterwerfung. Für die Erkenntnis eine verheerende Ausgangslage. Freiheit wird durch Angst eingeschränkt und mit ihr die Erkenntnis. Der intellektuelle Stillstand der Entwicklung der Tiere hat mit Angst zu tun. Möglicherweise hat die Dauerfurcht, die mit der Vorherrschaft der Menschen aufgekommen ist neben dem Verlust der Lebensräume die intellektuellen Möglichkeiten der Tiere reduziert. Eine besondere Entwicklung zeigt der Menschentypus, der sich der Enge von sozialen Gewohnheiten entzieht und der Furcht durch Neugierde und Selbstüberwindung entgegen wirkt. Es sind von der Anlage her oft furchtsame Menschen die zu Entdeckern und zuweilen Helden werden. Das Nützliche wird zur Realität und zur Welt. Die Welt wird zum Käfig, ähnlich den Panzertieren, die ihren Schutzanzug und damit Käfig mit sich herumtragen. Mathematik, Technik , Wissenschaft, Philosophie und dazu Ritual und Ideologie usw. werden Panzer. Es ist eine wesentliche Aufgabe des Intellekts die Erkenntnisgrenzen zu erkennen, zu erweitern und zu versuchen, sie zu überschreiten. Nicht immer sind die zwei Arbeitsfelder trennbar: Erstens der Verpanzerung entgegen zu wirken, zweitens: die ästhetischen und anderen produktiven Kräfte zu entfalten. Auch verlaufen die Grenzen der Arbeitsfelder und Aufgaben nicht so deutlich getrennt, wie es erscheint. Manche ästhetischen Impulse kommen aus der technischen Produktion, und andere, technische Erfindungen folgen kreativen Experimenten. Die indische Philosophie hat mit ihrer Konstruktion eines kosmischen Bewusstseins, für europäische Denkgewohnheiten missverständliche Gedanken formuliert. Sie sind aber klärbar. Bewusstsein als unpersönlches Attribut, ähnlich der Kraft als Energie, weist auf vollständige Vermittlung hin. Nur wenn sie seit Urzeiten existiert, kann eine jenseits des Subjekts liegende Realität und Wirklichkeit existieren. Zwei Grössen in einer Zeit müssen möglich sein, damit etwas geschieht, letztlich Geschichte, Entwicklung, Objektivität entsteht. Der theistisch vorgeprägte Geist subjektiviert diese Konstruktion und sucht einen Urheber. Vermittlung kann nicht auf eine Seite der Subjekt-Objekt Konstruktion gestellt werden. Deshalb sind alle Versuche dahin gehend skurill, so wie es der Solipsismus auch offensichtlich ist, und die theistischen Weltbilder sowieso, an die man sich gewöhnt hat. Der Solipsismus hat noch ein handfestes Subjekt, er ist eine Spur realistischer als andere Welterklärungen. Das Bewusstsein, das um sich wissende Sein, ist in sich vermittelt, reflektiert. Daher sind alle mikro- und makrokosmischen Ebenen vermittelt. Dies suggeriert menschliche Universalität, die in den Religionen hinaus- projeziert wird. Vermittlung kollidiert stets mit den Grenzen subjektiver Erfahrungen und von dort mit dem Nicht- identifizierbaren. Es könnte sein und nicht sein. Es gibt tiefreichende Überlebensaufgaben, die im Identifizieren gelöst werden. Aber das Notwendige muss nicht wahr sein. Jede erfolgreiche Täuschung ist im Bereich der Fresspyramiden unmittelbar Grundlage des Überlebens. Und doch ist es nicht wahr, dass die wespenähnliche Fliege auch stechen kann wie die Wespe. Ihr Erfolg ist, dass es von anderen gefährlichen Fressfeinden geglaubt wird. Der Erfolg der Täuschung betrifft auch die Selbsttäuschung. In jedem Krieg ist das Unterbinden der Vorstellung realer Gefahren ein Bestandteil des Mutes und des Erfolgs. Die Panzerkämpfer, die im zweiten Weltkrieg mit Minen sich unter russische Panzer warfen und mitunter lebend davon kamen, wussten was ihnen passiert, wenn sie zermanscht würden. Sie haben verdrängen müssen. Ebenso ergeht jedem Menschen, der die möglichen qualvollen Sterbestunden und Tage, sogar Jahre sich vorgestellt hatte und anschliessend verdrängte. Dennoch schliesst sich für den immer mehr über das Dasein aufgeklärten Menschen auch mittels Wissenschaft und Erkenntnis der geistige Horizont zu einem enger werdenden Käfig. Die Folgen sind: Verlust der Freiheit, der Leichtigkeit, der Kreativität in unterschiedlichsten Graden. Alle Fähigkeiten tragen dieses Doppelgesicht der Macht und Freiheit, hier der Einsicht und der Ohnmacht dort. Nicht zufällig gibt es spielerische Völker in Afrika und unter den Europäern nur einzelne spielerische Künstler. So wahr die Kenntnisse in Chemie und Physik, die ganze Rationalität auch ist, die Folgen sind es grossenteils nicht. Man hat den nordamerikanichen Indianern zu Beginn der Eroberung Amerikas durch Europäer ihre Freiheit geneidet obwohl sie Einsicht in die wahre Welt des Daseins nur begrenzt kennen konnten. Philosophie hat auch in diesen Zusammenhängen Aufgaben zu lösen." Korthaus schwieg. Berg kannte diese Reaktion, also war alles klar. Nun sprach Korthaus: " Mir gefällt er, ich sehe auch keine Lücken, die noch zu füllen wären." Berg fragte: " Ich denke er ist zu dicht." " Zu dicht", fragte Korthaus. Berg erklärte: " Ich werde Füllvermerke machen und Einige vor Ort hinzu- schieben." Korthaus nickte. Berg kramte aus seiner Mappe einen weiteres Blatt hervor und sagte: " Diese Notizen würde ich gern mit Ihnen besprechen." Korthaus nickte. Berg las: " Die Frage, welchen Stellenwert in der Artgeschichte expressive Bedürfnisse haben und welches Gewicht dem Zufall zuzumessen ist, lässt sich an den Organellen illustrieren. Die Vorläufer der heutigen Zellen haben offenbar jene Bestandteile heutiger Zellen, die Mitochondrien nicht nur gefressen sondern auch im sexuellen Spiel einbezogen. Schliesslich verwuchsen sie miteinander, ein auch heute nicht selten aufzufindender Wunsch und möglicherweise ein Grundbedürfnis, welches vom Einzeller zum Vielzeller geführt hat. Es ist eine ohne Zweifel schon im Vorfeld mathematischer Berechnung erkennbare Problematik, dass die für rein zufällige Entwicklungen in der Geschichte der Organismen benötigte Zeit nicht ausreicht um damit die Evolution zu begründen. Es ist ausserdem eine jeder Erfahrung widerprechende Annahme, dass Lernschritte nur dem instinktiv und bewusst denkenden Wesen zu verdanken wären. Vielmehr ist sowohl der Einzeller als auch jeder Vielzeller lernfähig. Die etwa zwei Billionen Zellen eines Erwachsenen können in zwei Billionen Zellen lernen. Es wäre in diesem Modell jedenfalls das Zeitproblem der Evolution lösbar." Korthaus erhob sich und antwortete: " Sie wissen, dass ich hinsichtlich der Zeitfrage ähnlich wie Sie denke. Aber warum haben Sie keine radikalere Position vertreten ? Wenn Sie nicht nur die eine, von uns vermutete Lebensdauer unseres Univesums heranziehem sondern viele, gemäß der vermuteten Lebensdauer der Protonen, dann könnten auch langwährende und zufällige Veränderungen möglich sein. Das Zeitproblem wäre auch dann gelöst. Wenn man von nichtintellektuellem Lernen sondern von Erproben innerhalb des Wachstums ausgehen würde ...." Berg sagte: " Ja, gewiss, es ist inkonsequent. Aber eine gewisse Rücksicht auf das Publikum. Wir werdem möglichweise als Spinner gesehen." Das Licht am Abenhimmel über Avignon, mit seinen schwermütigen rot- und ultramarinblau- Tönen inspirierte zuerst Korthaus, dann Berg zum Malen. Sie holten in einem Geschäft zwei Staffeleien, einige Leinwände, Farben usw. und zogen an die Stelle der abgebrochenen Brücke. Es war in der Tat das Symbol für die abgebrochene Zeit der Könige. In Frankreich waren sie stellvertretend für das ganze Abendland untergegangen. Einige wenige Lastkähne zogen die Rhone aufwärts, dann wieder Ruhe und Zigallen. Als die Dämmerung voranschritt, legten sie ihre Pinsel weg und Korthaus sagte zu Berg: " Das ist immer dieselbe süsse Ohnmacht. Auf der Leinwand ein Bild und hier ist alles absolut anders. Man versucht es...." Berg antwortete: " Eine Übung zur Schönheit der Sinnlosigkeit. Irgendann ist es eine Zauberei in der Dingwelt, als ob das Leben der Artefakte erst begönne nach dem sie die Landschaft verliessen, in der sie entstanden. " Berg meinte: " Mütter haben damit viel zu tun. Alles ist ihnen Abschied." An einem Vormittag holten die Beiden ihre Maschinen aus der Garage und machten sich auf den Weg nach Aix en Provence. Dort sollte eine Ausstellung von Nachlasswerken eines grossen Malers der Moderne sein. Sie hatten Nachricht von Coraboda erhalten, dem südamerikanischen Mathematiker, den sie bei einer ihrer Zeppelinreisen getroffen hatten. Er hatte seine Ankunft in Aix mitgeteilt und einen wenig bekannten theoretischen Ansatz ausgearbeitet, den er vorstellen wollte. Nur soviel hatte er bereits verraten. Es ging um die unedliche Dichte, ein Invertierungsmodell zum leeren Raum mit seinen positiven Objekten. Die Hitze des nördlichen Afrikas lag auf der Nationalstrasse. Fast ungebrochen kamen die Saharawinde herüber. Die Luft flimmerte. Die Maschinen tuckerten einwandfrei. Die Beiden waren vermummt bis auf die Augen. Die Hüte waren mit Kordeln festgebunden. Ihre lotterigen, leichten Mäntel flatterten im Wind. An einer Raststätte hielten sie an. Es war eine Holzbude mit der Funktion eines Bistros und eines Kiosk. Die Beiden hielten an und setzten sich in den Schatten des Vordachs. Sie bestellten. Kurz drauf: "Messieur, vola !" Der Mann stellte die Pernodgläser und die Wasserkaraffe ab. Nach einer Weile sagte Korthaus: " Man muß nicht viel denken und tun, an manchen Tagen." Berg erwiderte: " Die Frage ist, wann es einen Lebensabschnitt geben wird, der so wie solche Tage aussieht." Korthaus stutzte: " Sie werden doch nicht alt ?" Berg antwortete: " Ich bin nicht allein mit meiner Auffassung über solche Tage. Ganze Artenfamilien liegen hier rum und machen nichts als die Drehung in den Erdschatten abzuwarten." " Und dann sind Sie wieder der Alte. Am Abend eine kleine Verschiebung in den Staatenbünden, da und dort eine Planeten besiedlung..." meinte Korthaus. Berg sagte: " Erinnern Sie sich ? Vor langer, langer Zeit, die Mademoiselles von Avignon." Dabei sah er zum diesigen flimmernden Horizont, als ob da irgendetwas zu sehen wäre. War es nicht. Korthaus grinste, nahm den Pernod und blinzelte ebenfalls zum Horinzont, als ob da irgendetwas zu sehen wäre. War es natürlich nicht. Der uralte Besitzer des Bistros war ein Überbleibsel der 20er Jahre Frankreichs. Eine Golouises im Mundwinkel, auf dem Kopf die Baskenmütze bediente er die Gäste. Lieblingsthema die Studentenrevolte und die Resistance. Er kannte Berg seit Jahr- zehnten. 1915 hatten sie sich an der Somme kennengelernt. Berg fuhr den Küchenwagen an die Front, Franz-Bernard, so hieß der Alte, lief ihm vor den Wagen. Berg gab ihm eine Gefreitenuniform und schleppte ihn als Kriegsverletzten taub- stummen Gefreiten Müller mit herum. 1918 ging es umgekehrt. Als die Amerikaner die deutschen Linien durchbrachen, gerieten die Beiden mit ihrem Wagen in Gefangenschaft. Sie kamen sofort frei, als Franz-Bernard einem französischen Kommandeur ihre Geschichte erzählte. Sie tranken sehr viel Rotwein in jenen Jahren, dass heisst wirklich sehr viel. Während des Krieges war Fraternisieren verboten. Daher lieferte Berg seine französischen Weinflaschen immer mit der Bemerkung "Fraternisieren verboten" an die Küchenbullen aus, und entsprechendes bemerkte Franz Bernard zu den französischen Kunden, denen pommersche Würste und dänischer Käse geliefert wurde. An diesem Tag tranken sie wortlos den Pernod mit viel Wasser, da sie noch weiter fahren wollten. Als die grösste Hitze etwas gebrochen war, setzten sie sich wieder auf ihre Maschinen, deren Sitze sehr heiss waren, kühlten sie mit einem Guss Wasser ab und fuhren weiter Richtung Aix. Dort angekommen quartierten Sie sich in einem Hotel ein und fielen erschöpft auf die Betten. Nach einigen Minuten machten Sie sich frisch und gingen in den Garten des Hotels. Dort wurde zu Abend gegessen und getrunken. Das Restaurant war voll. Dann rief Coraboda an. Er befand sich in einem Hotel in der Nähe. In der Mitte des Ortes lag an der Route National ein Strassenbistro. Die Drei, Berg, Korthaus und Coraboda trafen sich dort am späten Abend. Coraboda begann sofort zu erzählen: " Nietzsche sagte: Wenn das Universum ein Ziel hätte, dann wäre es längst erreicht. Da wir existieren, ist das Ziel nicht die Entrophie. Wenn das Ziel das Wachstum wäre, so wäre eine unendliche Dichte erreicht. Diese Dichte ist invertiert das Vakuum. Das ist kein Wortspiel. Denn im Vakuum auftretende Ereignisse erscheinen anders als Ereigisse in absoluter Dichte. Invertierung des Vakuums wäre Dichte. Was würde passieren ?" Er beantwortete seine Frage selbst: " Expansion in alle Richtungen und aufeinander prallende Kräfte, besonders an den Grenzflächen der Körper." Berg sagte: " Genial!" Korthaus sprach: " Keine Enthropie." Coraboda bestätigte nochmals durch Kopfnicken. Nun fragte Berg: " Darüber wollte ich in Berlin sprechen. Aber wie wird die Komprimierung ins Vakuum verhindert?" Coraboda lächelte und meinte: " Das ist doch Ihre Idee, die Expansions- und Fliehkräfte." Korthaus sprach: " Sie können es wie Newton und Leibniz machen. Wer hat die Infinitesimalrechnung erfunden!?" Coraboda sprach: " Nietzsche ist der eigenliche Erfinder der Dichte. mit seinem Satz über das erreichte Ziel des Universums." Berg unterstützte ihn: " Absolut logisch, die Zeit ist unendlich, die Wahrschein- lichkeit am Anfang zu stehen gering. Wie Marc Aurel bemerkt hat, ist die vor der Geburt verflossene Zeit ebenso unendlich wie die Zeit, die nach dem Tod kommt." Die Drei tranken etwas, schwiegen eine Weile, dann fragte Berg: " Haben Sie Hinweise gefunden für die Dichte?" Coraboda antwortete: " Deshalb wollte ich Sie sprechen. Ihre Stromtheorie ist voller Hinweise. Warum sollte Produktion immer Neues hervor- bringen und keine Spiegelbilder, keine Wiederholungen?" "Sie meinen es wäre ein Ausdruck des Dichtekonflikts?" fragte Berg." "Ja!" bestätigte Coraboda und fuhr fort: " Es wäre bewiesen, wenn im Raum diese zwei Kräfte nach- zuweisen wären. Ich schlage vor, die Expansions- und Fliehkräfte in diesem Zusammenhang zu untersuchen, die Sie schon lange im Visier haben und als den antagonostischen Part die Gravitation." Korthaus meldete ich nun zu Wort. Er fragte Coraboda: " Würden Sie sagen, die Dingwelt ist dynamischer als sie erscheint:" " Das denke ich doch", antwortete Coraboda: " Die Abwesenheit von Wiederholungen weist auf Kämpfe auch im Bereich der Dinge hin. Wir haben Ruhe, Stabilität erfunden, da sie sehr gute Werkzeuge sind um dynamische Prozesse zu steuern. Da begegnet uns wieder Nietzsche, der vom Gleich- sehen sprach und vom Gleichmachen. Was passiert, wenn wir umgekehrt verfahren ? Wir finden unterhalb des Exakten das Ungefähre. Wie Nietzsche bemerkt: Über allem steht der Leichtsinn, der Übermut, das Ungefähr." Er sprach weiter:" Warum feuern die Neuronen büschelweise Impulse ab, wenn es möglich wäre eine lineare Nachricht zu senden,wie dies im Morsefunk geschieht. Wozu diese Verschwendung. Es könnte wegen der Redundanz geschehen. Ein linearer Strang kann überrauscht werden. Hingegen bei sehr vielen Send-Boten kommen in jedem Fall einige durch. Wenn aber in einem Raum unendlicher Dichte eine Nachricht gesendet werden soll, muss eine Art relatives Vakuum geschaffen werden, in dem die Boten sich bewegen. Wir finden dann Kräfte die die Bahn schaffen und die Botenkräfte, die in ihnen fliessen." Berg und Korthaus waren sprachlos. Dann bemerkte Korthaus: " Kritisch möchte ich fragen: Werden nicht mehr neue Probleme mit Ihrer Idee geschaffen als gelöst werden ?" Coraboda erwiderte: " Ja, es ist unübersehbar, dass wir neue Rätsel haben. Aber warum keine dualen Theorien. Denken Sie an den Wellen- und Korpuskel Dualismus der Wellentheorie. Wenn wir nur eins der bislang unlösbaren Probleme lösen, ist es die ganze Sache wert." Eine junge Frau, schätzungsweise mitte 30 kam an den Tisch zu den Dreien, streckte Berg die Hand hin und sagte: "Ich begrüsse Sie Monsieur Berg, und Sie auch meine Herren". Berg war aufgestanden, die anderen dann auch. Berg fragte: " Mit wem haben wir das Vergnügen, schöne Frau?" Sie lächelte und sprach: " Marlene. Ich habe Sie in Paris gehört, in der juristischen Fakultät," dabei lächelte sie. Berg bot ihr einen Platz an und fragte:" Trinken Sie etwas mit uns?" "Gern einen Rose von Remy. Sie haben den sanftesten Rose." Dabei lächelte sie, ihre Augen blitzten. Nun fragte Berg: " Aber wieso Paris, als ich dort vortrug, übrigens nur ein einziges Mal, waren Sie doch noch längst nicht Studentin, höchstens Schülerin." "Sie haben recht", sagte sie:" ich war mit meiner Mama da, sie hatte mich auf ihrem Schoss." Berg war verblüfft. Sie sprach gleich weiter: " Damals, als ihre ersten Weltraumreisen bekannt wurden, wollte ich unbedingt mitfliegen, - aber ich war viel zu klein." "Und wollen Sie noch immer zum Mars ? " Sie erwiderte: " Ich habe viel gelesen, von Ihnen, von Korthaus. Ich würde Ihnen gern zuhören. Heute reise ich in meiner Phantasie." Berg meinte: " Ich lade sie ein nach Berlin, wie wärs?" " Wunderbar, sehr gerne." Berg zog einen Notizblock hervor und fragte: " Wenn Sie erlauben möchte ich Ihnen zwei Tickets ausstellen lassen für die Reise nach Berlin, eins für eine Begleitung." Sie bedankte sich hoch erfreut. Berg schrieb: " Lieber Monsieur Rouge, bitte stellen Sie Mademoiselle ein Ticket aus für 2 Personen hin und zurück nach Berlin. Gruss Berg." - Er gab ihr den Zettel und sprach: " Voila, für den Bahnhofschef Monsieur Roge." Sie steckte den Zettel ein. Kurz darauf überraschte Sie Berg mit einer Frage: " Glauben Sie, dass die kleinsten Lebewesen Bewusstsein haben ?" Berg stutzte und meinte: " Ja, ich glaube wie auch die indische Phiosophie an ein Bewusstsein der Materie." Sie fragte weiter: " Dann habe ich Sie nicht falsch gelesen ?!" Berg antwortete: " Aber ein kosmisches Bewusstsein sehe ich nicht, auch keinen Willen wie Schopenhauer." Fast schien die junge Frau iritiert. Dann fragte sie: " Störe ich Sie nicht bei Ihren Gesprächen ?" Berg versicherte: " Gewiss nicht." Coraboda sprach: " Es belebt unsere Diskussion." Korthaus sagte: " Machen Sie weiter, es wird gerade spannend." Sie sah Berg auffordernd an. Dieser sprach weiter: " Für ein einheitliches Bewusstsein spricht nichts. Es gibt keine mit sich identischen Grössen." Nun widersprach Korthaus: " Das sehe ich ganz anders. Das Ich stiftet die Identität." Die junge Frau sah zu Korthaus und nickte. Berg fuhr sprach nun: " Sie kennen also Korthaus Position." Und ohne Antwort abzuwarten, fuhr er fort: " Der Vorrang des Nichtidentischen erlaubt keine Universal- begriffe. Es gibt vielerlei Formen bewusster Funktionen, aber kein zusammenhängendes Bewusstsein des Universums. Wahrscheinlich gibt es grosse Wesen, die wir nicht kennen mit Bewusstsein, vielleicht sogar über die Planetensysteme hinaus." Die junge Frau hörte gespannt zu. Daher fuhr Berg fort: " Unsere Möglichkeiten sind begrenzt, daher sehen wir Grenzen und können sie nicht mehr definieren." Sie fragte: " Es könnte also möglich sein, das kosmische Bewusstsein ?" Berg wollte verneinen, aber er stutzte und antwortete diplomatisch:" Wenn wir wüssten, was sein könnte." Er überlegte einen Moment und fügte hinzu: " Wir substantivieren, wir sagen die Angst, aber die Angst gibts nicht, nur ein ängstliches Gefühl. So machen wir das eben mit vielen Worten." Das war eine Bermerkung nach Korthaus Geschmack. Er sprach: " Deshalb denke ich, die einzige Substantivierung, die haltbar ist, ist das Ich.- Nun, etwas überzogen, gebe ich zu." Mit Rücksicht auf die junge Frau begannen die Beiden jedoch keine Neuauflage des "30 jährgen Kriegs", wie es früher einmal spöttisch von einer Dame bemerkt wurde. Korthaus wollte noch mehr von Coraboda wissen. Deshalb fragte er: " Gibt es in ihrer Konstruktion des Universums einen Anfang?" Coraboda antwotete: " Mit dieser Frage habe ich gerechnet. Lassen Sie mich Berg ins Spiel bringen: In seiner Grenztheorie wird ein Anfang aus der Grenze erscheinen. Er könnte da sein oder nicht." Die junge Frau warf ein: " Und Nietzsche?" Die drei alten Herren sahen sie erstaunt, aber respkektvoll an. Nun sagte Berg: " Unsere Dame hat recht. Wahrscheinlich brauchen wir einen Anfang um den Faden aufzuwickeln." Coraboda fuhr fort: " Ist der Anfang erst einmal gemacht, geht der Rest von alleine. Die ständige Produktion führt zu einer Zunahme der Energie und Materie, und in dessen Folge zum Überdruck, zur Expansion. " Berg nickte, fand er doch seine eigenen Gedanken hier wieder. Coraboda sagte: " Und dann ist igendwann Schluss, es ist alles voll. Aber es ist nicht so. Verschwindet das Produzierte? Das ist in einem völlig offenen System kaum denkbar. " Berg fragte: "Ich ahne es." Korthaus sagte: " Ich auch." Die Dame meinte: " Schön, verraten Sie auch ihr Geheimnis ?" Alle vier lächelten. Coraboda fuhr fort: " Wenn es keine sich selbst identischen Grössen gibt, kann die Packung der Objekte im Raum unendlich sein." Korthaus klatschte in die Hände und rief:" Sagenhaft !" Auch Berg war begeistert. Aber die Dame war nicht so sehr beeindruckt. Sie meinte: " Ich habs nicht verstanden." Berg sprach: " Entschuldigen Sie unsere geheime Kabbalistik,- wir kennen uns schon eine Weile." Nun wandte er sich an Coraboda und fragte: " Sind Sie einverstanden, wenn ich es erläutere?" Coraboda nickte. Berg fuhr fort: " Überfüllung des Raums kann durch verschiedene Weise verhindert werden. Einmal die mögliche Dehnung des Raums, dann die Strecke der Zeit und schliesslich die Gültigkeit eines Seins des Objekts in Grenzen bestimmter Dauer und Definierbarkeit. Wenn aber die Grenzen nicht dicht sind, können Objekte sich überschneiden, Vermischungen und Verluste haben." Sie sagte: " O, ja das ist sehr plastisch. Es könnte also der Raum, den ich einnehme auch zugleich zumindestens teilweise auch von einem anderen eingenommen weden." Sie lachte los, die andern lachten auch. Coraboda sagte: " Frauen verstehen sich darauf, das Telos der Liebe: völlige Verschmelzung." Am späten Abend trennten sich die Vier und verabredeten sich zum nächsten Abend hier im Bistro. Coraboda wurde von drei Freunden mitgenommen. Berg und Korthaus gingen noch ein wenig durch die Strassen und Gassen von Aix spazieren. Berg meinte: " Die Konzeption einer ungeheuren Dichte passt sehr gut zur Undichtigkeit der Grenze, ist sie doch geeignet die Determiniertheit weiter zu relativieren." Korthaus meinte: " Ich denke auch, dass es ein guter Ansatz ist. Man muss die theologischen Reste aussortieren. Der Urknall ist ebenso überholt wie die Kausalität." Berg meinte: " Ganz und gar entbehrlich ?" " Natürlich nicht. Kosmische Ereignisse sind in allen Formen möglich, nicht nur einmal sondern immer wieder. Ebenso sind Kausalketten und die damit verknüpften Methoden äusserst wichtige, sogar unentbehrliche Instrumente. Was unsere junge Freundin eben eingeworfen hat, die Ineinanderschachtelung der Objekte ist in Verbindung mit der Dichte revolutionär." Berg meinte: " O ja, es ist von unglaublicher Tragweite. Es gäbe keine Verstopfung im Universum, ebenso wie das Vakuum der Enthropie dann nicht möglich ist." Am folgenden Abend trafen sich die Vier wie verabredet im Bistro. Der milde Abend und der ruhiger werdende Verkehr erlaubten es Ihnen ihre Gespräche im Freien fortzusetzen. Die junge Frau war als erste dagewesen. Nachdem sie gegessen hatten ohne zu philosophieren, begann die junge Frau mit der Frage: " Was beabsichtigen Sie mit diesem merkwürdigen Bild einer unendlich dichten Welt?" Coraboda antwortete: " Sie vermuten zurecht Absichten dabei, denn eine Welterklärung, die auf die schon bekannte hinaus läuft, wäre letztlich überflüssig. Man sieht an den Modellen, dass sie in unausdenkbarer Formenvielfalt eine ebenso nicht zuende denkbare Weltzeit ausfüllen, ganz wie die Inder es sagten." Gespannt hörten Berg, Korthaus und die Dame zu. Coraboda fuhr fort: " Es ist eine gewisse Gefahr des sich Verlierens in einer solchen Weltanschauung. Auch in der Mathematik gibt es diese Gefahr. Man fragt, wann ist die Aufgabe erfüllt und bricht ab. Das heisst, wann wird die Ausarbeitung der Vorstellungen anderer Welten uninteressant und führt dazu unsere Aufgaben zu vernachlässigen ? Da kam mir die Idee nach dem Punkt zu forschen, an dem die Relevanz der weiteren Auflösung und Aufklärung der Objekte nicht mehr zu finden ist." Korthaus war hellhörig geworden. Er sagte: " Aber das ist doch sehr gefährlich. Die Selbstbeschränkung ist der Gegenpol zur freien Kreation." Coraboda stimmte zu: " Ja, das ist es. Aber es macht jeder so, seine Kräfte einzuteilen. Man muss sich der Grenzen bewusst sein." Berg sagte nun: " Die Fülle ist natürlich ebenso problematisch wie die gezielte Methode. Der Positivismus hat seine Schatten- seiten." Korthaus sprach: " Wir sind nahe an dem Punkt, an dem der Sinn des Ichs deutlich wird. Der Mittelpunkt, den das Ich bildet, das Subjekt, ist unentbehrlich. Nicht nur mit seinem handgreif- lichen Egoismus. Die Auflösung der Bedeutungen, Begrenzungen usw. ist ohne die Bündelung im Ich nicht aufzuhalten." Berg wandte ein: " Wir sind durch die Vorgeschichte unserer Ideologie natürlich aufgeschreckt. Wenn der Sinn fehlt, der den Welten- lauf soll begründen, sehen wir Abgrund. Aber es spricht nicht viel dafür, dass man ihn braucht." Die Drei, Korthaus, Coraboda und die Dame sahen Berg auffordernd an. Er sollte also weiter sprechen. Das tat er auch: " Der Bedarf an Kreationismus zeigt, dass man sich nicht vorstellen kann, eine ziellose Entwicklung brächte etwas hervor, trotz der Kenntnisse in der Chemie, Biologie und Geschichte." Coraboda meinte: " Wir Mathematiker sind besonders sinnsuchend und sinn- anfällig. Die Mathematik holt ja die Kaninchen aus dem Hut, die sie vorher hereingesteckt hatte." Korthaus sagte: " Der Solipsismus ist für etwas nützlich. Wenn man ihn für gültig nimmt, provoziert er den Gedanken, alles sei sinn- voll, da man es nur als Ziel des Ichs vestehen muss. Woher die Aufklärung über den Unsinn kosmischen Zieles, wenn nicht aus der Überwindung des Solipsismusses, der Einsicht in die Illusion des Ichs. " Berg stutzte. Er sagte: " Korthaus, was ist los, sind Sie ein Überläufer. Das von Ihnen ?! "Korthaus lächelte mehrdeutig und fuhr fort mit Hinweis auf Coraboda und die Dame: " Unsere Freunde wissen vielleicht gar nicht, was besonderes daran sein soll, das Ich zu relativieren." Berg meinte: " Umso besser." - Nun rettete die Dame die etwas verworrene Situation. Sie meinte: " Es ist ja eigentlich zu erwarten in einer mit sich nicht identischen Welt, dass man einer Sache sich gewiss ist und bald darauf wieder im Ungewissen schwimmt." " Wie in der Liebe," meinte Coraboda und lächelte. Die Dame nickte: " Genau so." Korthaus ging das aber etwas zu weit. Er meinte: " Das ist mir ewas zu relativistisch. Das Ich steht in seiner Bedeutung nicht gleichrangig neben der Freiheit, dem Universum, der Definition usw., sondern es ist der entscheidende konstituierende Punkt." Dem widersprach zunächst keiner. Es kam nun der Kellner und brachte Getränke. Als er weg war, lenkte Berg die Aufmerksamkeit in eine andere Richtung. "Furcht und schlechtes Gewissen sind auch ein Motor der Sinnsuche," meinte Berg. Die junge Frau stimmte zu und sprach: " Einen allzu langen Urlaub kann ich vor meinen Freunden nur schwer rechtfertigen." Berg sagte: " Wir haben auch damit zu tun. Wieviele Projekte sind aus dem schlechten Gewissen entstanden ?! Ich weiss es nicht." Korthaus meinte: " Sie umschreiben wieder die Notwendigkeit des Ichs. Wenn es nicht das Ich gäbe, müßte man es erfinden. Denn wir haben sinnvolle Taten und unsinnige. Dann wieder sinnlose, die sich als sinnvoll erweisen und sinnvolle die schlimme Folgen haben." Coraboda sagte: " Das trifft es gut. Aber was ist mit dem höheren Sinn des Daseins ?" " Was meinen sie damit ?" fragte sie. Coraboda antwortete: " Das Spiel, die Schönheit. Ich denke das ist mehr als Folge der Selektion oder Zeitvertreib und Luxus." Nun hellte sich Bergs Gesicht auf. Er meinte: " Denken Sie an Nietzsche ?" Coraboda nickte und fuhr fort: " Stellen Sie sich eine Welt ohne ästhetische Ereignisse vor, ohne Schönheit, ohne Überfluss." Die Drei schwiegen. Es wurde langsam dunkler, die Lampions und die Lichter der Autos ergaben eine bunte Kulisse, in der für Korthaus die Zigallen den Eindruck eines Karussels verstärkten. Er brachte das Gespräch auf das Spiel: " Wir haben manche schwere Zeit gehabt. Ich denke an die Gewalt und Grausamkeit der Kriege und auch an die Naturkatatrophen. Aber ebenso furchtbar ist oft der Tod. Marc Aurel hat die Seele als den leidenden Kern ins Spiel gebracht und geglaubt, es gäbe eine Rettung durch einen Rückzug vom Körper. Nun kann die Duldung trainiert werden. Aber was ist die Seele ?" Berg meinte erstaunt: " Korthaus, Sie überraschen mich." Dieser antwortete: " Die unverwundbare Seele ist nur ein Traum. Aber es gibt ein starkes und ein schwaches Ich." Berg meinte: " Früher war es gewiss seltsam, dass etwas so spirituelles wie das Ich überhaupt stabil sein kann. Die stoische Philosophie lebt von dieser Einsicht. Aber heute, da uns erst das Atom und dann die Materie unter den Händen sozusagen zerrinnt, ist das virtuelle Leben nicht mehr so unwahrscheinlich wie früher, als ein Ding ein Ding war und die alten Bäume scheinbar ewig lebten." Die junge Frau meinte: " Das ist das ganz und gar Sonderbare: Wir gewöhnen uns an das Flüchtige, Unwahrscheinliche." Korthaus meinte: " Kann es sein, dass die Computergeneration leichter mit dem Unsichtbaren umgeht als die Alten, die Handwerker und Bauern des letzten Jahrhunderts ?" Die späte Dämmerung mit ihren Schatten und Farben, der Staub der Strasse und das letzte Tageslicht am Horizont zeigten die Nähe des Abends zu den Gemälden der provencialischen Maler. Korthaus sagte nach einer Weile: " Das Versteckspiel der Ästhetik,- wo anders ist der Sinn des Naturspiels sichtbarer als hier ?!" Coraboda meinte: " Verstecken,- Sie haben recht. So habe ich es noch nicht betrachtet." Die junge Frau meinte: " Das Hässliche versteckt sich ? Und es ist nicht nur eine Motivation, das Ästhetische zu betonen?" Berg erwiderte: " Vielleicht färben wir die Situationen schön." Und zu Korthaus gewandt:" Aber gerade Sie sind doch der Vertreter der Tat." Der antwortete: " Es passt nicht ganz in ein totales Ich." Berg meinte:" Aber irgendwie doch." Coraboda sprach: " Es ist schwer zu glauben, alles das was wir hier wahr- nehmen wäre nicht unbedingt für unsere Höhengefühle veranstaltet." Korthaus sagte: " Sie liegen damit richtig, denn wer anders als unsere Sinne und unsere Fähigkeiten verknüpfen die Einzel- heiten zum Wohlgefallen und natürlichen Artefakt." Berg wurde nachdenklich, sagte aber nichts mehr. Kurz bevor es ganz dunkel wurde huschten einige Fledermäuse durch die Nacht. Coraboda verabschiedete sich, die Dame ebenfalls. Berg und Korthaus blieben sitzen. Sie bestellten Pernod. Korthaus meinte: " Danach werde ich wohl die nötige Bettschwere haben." Berg nickte und sagte: " Ein interessanter Abend nicht wahr ?" Korthaus erwiderte: "Oh ja. Coraboda hat mich sehr verblüfft. Sie sind recht nachdenklich geworden." Berg anwortete: "Die Grenzfunktionen gingen mir durch den Kopf." Korthaus forderte ihn auf: " Wollen Sie darüber reden ?" Berg meinte: " Wir kommen nicht heraus aus unseren Kreis. Immer wieder der Trugschluß, eine Grenzüberschreitung sei möglich. Coraboda wird sich wundern, wenn er sieht, dass Nietzshes Idee ein glatter Irrtum war: `Wenn das Universum ein Ziel hätte, wäre es erreicht.` " Korthaus sagte: " Mir schien es auch so, als sei irgendetwas unstimmig in der Dichtetheorie." Berg fuhr fort: " Es ist der Trugschluß der Horizontbildung. Wir sehen einen Horizont, auch im Fall der Grenze. Wir gehen auf ihn zu, er verschiebt sich. Wir sehen einen neuen Horizont, gehen wieder auf ihn zu, er verschiebt sich wieder. Schließlich glauben wir, die Bewegung in immer wieder neue Räume würde die Grenze überwinden. Scheinbar wird sie auch überwunden. Immerhin stehen unsere Aussenposten auf dem Mars, dem Mond und als Sonden bereits ausserhalb der Plutobahn. Nur ist es wieder der alte Trugschluß: Partielle Ausdehnung, und eben damit eine neue Grenzziehung. Das ist sehr verwirrend: Man überschreitet und kontruiert neue Grenzen." Korthaus meinte: " Das Schwierigste erscheint mir, zu ekennen, dass Bewegung selbst ebenfalls Grenzziehung ist und nicht nur die scheinbar festen Körper- zumal sie nicht fest sind." Berg nickte und trank an seinem Pernod. Am anderen Tag war bereits zur Frühstückszeit die Gluthitze der Sahara im Aufbau. Berg und Korthaus sassen im Garten des Bistros, der hinter dem Gebäude, der Strasse abgewandt lag. Noch strahlte die Sonne nicht direkt auf das Vordach. Berg sagte: " Ich fühle mich ziemlich plattgedrückt. Kennen Sie die Interpretation Nietzsches dazu ?" Korthaus antwortete: " Sie meinen die Verbindung zwischen Despotismus Religion und Hitze, die er zog." "Ja", bestätigte Berg und fuhr fort: " Für mich ist ein anderer Gedanke immer wieder zwingend bei solcher erzwungenen Trägheit. Es ist nicht der Sinn der Organismen etwas bestimmtes zu tun oder zu sein, sondern sie sind bereits in sich völlig fertig. Sie müssen nur innerlich sein. Was wir Dahinvegetieren nennen, ist der Sinn des organischen Seins." Korthaus meinte: "Ich erinnere mich. Danach ist alles, was wir schätzen und über dieses Nurdasein hinausgeht: die Kunst, die Zivilisation, eine Folge der Selektion, der Notwendigkeit und historisch zuletzt des Wollens." Die Austellung des expressionistischen Malers war eine Überraschung. Er hatte die künstlerisch anmutenden Farben und Formen der Tropen in verfremdeten kubischen Konstruktionen verwendet, und in einer weiteren, bildhauerischen Abteilung in Skulpturen ebenfalls thematisiert. Berg kannte ihn aus der Zeit des zweiten Weltkriegs. Gewiss hatte er auch philosophischen Einfluss auf Berg genommen. Die junge Frau hatte ebenso wie Coraboda und Korthaus diese Austellung besucht. Der Maler und Bildhauer war in der Gestaltung seiner Ausstellung weiter gegangen als die Ankündigungen verlauten liessen. Der Platz vor dem Museum war in einer zunächst nicht auffälligen Weise in die Ausstellung einbezogen worden. Er war mit surrealen Elementen eine Art Einführung und Ausklang jener Themen, die in den Werken dominierten. Ein Auto mit Elefantenfüssen an der Stelle der Räder, eine Laternengalerie, deren Lampenglocken als Flamingoköpfe gestaltet war, lenkten scheinbar die ganze Gestaltung zu dem Satz Nietzsches, dass das Dasein nur als ästhetisches Ereignis gerechtfertigt sei. "Es ist doch eine Frage der Gewichte und Bedeutungen, ob man in den Wallungen zwischen Realität und Irrealem sich dem Bodenlosen überlässt", meinte Berg. Korthaus stand vor den Laternen neben Berg und antwortete: " Vielleicht ist es auch so, dass sich alles irgend- wann normalisiert, auch das, was einmal unfassbar gewesen war." "Ja", antwortete Berg:" das denke ich auch. Es gibt eine gewisse automatische Verhärtung im Wachstum und Bodenlosen. Sie könnte den ästhetischen Höhepunkten entgegengesetzt sein. Eine Art Reaktio auf die Aktio." Korthaus meinte:" Es erinnert mich an das, was die Altforderen `Schicksal`nannten." Nun kamen auch Coraboda und die Dame zu den Beiden auf den Platz. Die Vier beschlossen gemeinsam zum Bistro zu gehen und etwas zu essen. Aber darüber hinaus brannte es ihnen auf der Seele die Eindrücke und Konsequenzen der Ausstellung zu besprechen. Als sie im Bistro angekommen waren und auf das Menue warteten, meinte Korthaus: " Mir kam es so vor, als wären die Wissenschaften im Gegensatz zu dieser ästhetischen Welt, die in der Ausstellung anklingt, im Irrtum." Berg war wenig erstaunt. Er stimmte zu und sagte: " Der Positivismusstreit hat auch diese Problematik gemeint. Es ist sonderbar, dass die erfolgreichen Hochkulturen ausgestorben sind und die urwüchsige, karge Natur fruchtbar bleibt. Ich frage mich wieso." Die junge Frau antwortete: " Ich kann nichts Rationales und Einleuchtendes dazu sagen, aber vom Gefühl her ist es mir völlig deutlich und sozusagen logisch." Coraboda war aller dings anderer Meinung. Er sprach: " Es ist der Mechanismus der Drogen, der uns Freiheit vorgaukelt. Also die ästhetischen Höhepunkte, die oreganischen Sensationen, die geistigen Höhenflüge sind ähnlich den Drogen. Man braucht sie immer mehr." Berg sagte: " Wieso sind die hochentwickelten Kulturen so unfähig, auf Dauer zu überleben ?" Coraboda sah nachdenklich vor ich hin. Berg fuhr fort: " Es ist auffällig, wie wenig ratioal und vernünftig die philosophischen Begründungen oft sind. Was heisst: Freiheit, Ich, Nichtidentisches, Welt ? Es sind doch Leerformeln. Aber sie vermögen in der Vermittlung der geistigen Geflechte etwas zu erhellen, was uns denken lässt, wir blicken einen Moment lang, nur einen Moment, in den Urgrund der Dinge." Korthaus stimmte dem zu: "Könnten es nicht zwei giftige Substanzen sein, lineare Logik hier, sich auflösende Strukturen dort, die in den verschiedenen Momenten sich fruchtbar mischen und das Gegenteil sind von giftig ?" Die junge Dame sagte: " So etwas gibt es auch anderswo: Liebe und Hass zum Beispiel. Wie sehr steigert sich die Liebe nach dem über- wundenen Haß. Oder die Verachtung, die mit dem Begehren gemischt die Extase hervorbringt." Die drei Männer sahen sie entgeistert an. Berg klastschte vor Begeisterung auf sein Knie, Korthaus und Coraboda nickten zustimmend. Letzterer sagte: " Sie haben mich beinahe geschafft, aber sie sagen etwas, was jeder weiss und doch erstmal erkennen muß." Während des Essens war Korthaus sehr in Gedanken versunken. Berg und Coraboda sprachen über die Nähe mathematischer Strukturen zum Wachstum. Berg sagte: " Die Geschichte der Organismen und der kosmischen Materie zeigen wiederkehrende Bewegungen und Konstruktionen. Nicht nur bauen die kleinsten Strukturen in mathematisch anmutenden Wiederholungen nächstgrössere Systeme und Gestalten auf. Sie schaffen auch Subjekte auf höherer Ebene ohne die niederen abzuschaffen. " Coraboda sagte: " Die Zahlen sind ohne Wiederholungen, und die Formeln ohne Aufbau von Gestalten nicht möglich. Korthaus horchte auf und sagte: " Das Ich.! Ihre Bemerkungen bezeichnen die Grundstrukturen der Subjekte, letztlich des Einzigen, welches jeder real erreichen kann: das Ich." Berg meinte: " Und die Welt als Projektionsleistung des Ichs ?" Korthaus erwiderte: " Ich habe es lange Zeit für ein brauchbares Modell gehalten. Aber mit dem Fall der vollständgen Identität und Definierbarkeit, also mit dem Nichtidentischen, löst sich auch die Bindung zwischen Ich, Projektion und den Objekten auf." Berg hört das mit Genugtuung. Er sagte: " Wir sind wieder bei den Objekten und dem Wachsstum." Eine Weile später sprach Berg weiter: " Ich bin seit Jahren misstrauisch geworden gegen die Konstanten in der Natur. Zuerst durch die Grenzfunktionen, die ihre eigenen inneren Grenzen haben, also Nichtdichtigkeit und Nichtidentität. Dann natürlich die schwierigen Zahlenverhältnisse im Kosmos. Das Fehlen vollzahliger Systeme usw. Neuerdings gibt es Hinweise auf eine universale Instabilität der Systeme der Energie und Materie und der Bewegungen. Aus der Biologie kommen nun ebenfalls Hinweise auf vor- darwinistische Systeme. Das heisst: Durchlässigkeit der Artenschranken in der Vererbung der Urorganismen usw. Korthaus hat mich darauf gebracht, dass wir die Stabilität brauchen zum leben und uns deshalb als Architekt der Stabilität und der zugrunde liegende Konstanten betätigen." "Wieso das ?", fragte Korthaus. Berg antwortete: "Wenn das Ich als die einzige mögliche Identität gilt, so muß es umgekehrt auch die Konstanten hervorbringen. Daraus folgt: Sollte das Ich instabil sein, sind es auch die von ihm gesetzten Konstanten." Korthaus meinte: "Ja, das ist auch meine Sicht der Dinge. Kann es sein das wir diese Problematik schon behandelt haben ?" Berg erwiderte: " Gewiss ich nehme es an." Coraboda fragte: " Fällt die Realität in ein strukturloses Etwas zurück, wenn das Ich nicht konstruktiv produziert?" Korthaus meinte: " Man könnte es vermuten, aber es geht nicht. Wie würde das je erfahrbar sein ohne Ich ?" Berg meinte: " Denken Sie an die Nichtidentät. Es bleibt immer etwas übrig, sozusagen neben den determinierten und identifizierten Strukturen und Dingen. Auf eine seltsame Weise hatten die Spaziergänge durch die Weinfelder nahe der Stadt den grossen Altersunterschied zwischen Berg und der jungen Frau gemildert. Es war die Verliebtheit , die das bewirkte. Wenn sie dann am späten Nachmittag zurück gingen und Korthaus mit Coraboda im Bistro trafen, kamen die Aufklärer und Philosophen wieder in ihnen durch. Es erschien den Beiden das eben noch unfassbare Nahsein als Traum. Ein Gedicht bildete sich zwischen ihnen. Und als Berg es zuletzt niederschrieb, war er in Gegenwart und Vergangenheit zugleich. Es galt der Frau schlechthin, die in den verliebten Räumen wiederkehrt: die namenlose Königin: Deine samtenen Augen, geschmeidiges Fell jagen davon, ein Blick nach hinten, lockende Mähne in Wellen schwarzes Feuer auf blauem Meeresgrund. Folge Dir, gehe voran, falle in den Schoss der Göttin. Jagd davon, zieht mich, hebt, wirft mich an den Rand der Erde. Greife nach den Netzen zwischen den Sternenbildern, greife ins Meer um zu fangen und werde gefesselt, wieder herausgeworfen, wieder im Rhythmus der platzenden Früchte und der traumlosen Ermattung. Laufen hintereinander, unter und übereinander, den Bildern nach, die sich verschränken, nicht berühren, die verschmelzen, sich losreissend und zitternd, - Bilder zittern. Schöne Prinzessin ! Seit Du mich eingeladen hast in Deinen Garten zu kommen, bin ich der glücklichste Mensch im Universum. Dass Du lächelst, warten wir kleinen Wesen und suchen. Suchen den ansteigenden Ton, die Synphonie, Schwester Deiner Schönheit. Jedem gleichend, der den Kuss geahnt, als hätte er gefühlt, war verloren. Schon der Duft und angeschaut zu sein, - ist Verhängnis. Seltene Wesen an den Südseestränden, fleischhungrige Orchideen und wandernde Palmen,haben Dir die Schönheit dargeboten und Dich hochgehoben über Dich hinaus. Fast schon unerreichbar, selbst dem Phanterblick, hörst Du das schwärmende Dschungellied und erhörst es zuweilen. Drängt der Melodie afrikanischer Nächte folgend das Verführende sich ein, mühelos in den gebärenden Vorhof der Hölle. Stolz von Deinen Brandmalen der Seele, grösser als die hohen Tiere der Kreidezeit- und doch scheinbar nicht mehr lebensfähig ohne Deine Verschlingung, die den halbverdauten Zustand, wie es Opfer sollten extatisch schlürfen. Zehn oder etwas mehr Stunden und genausoviel Meter währt die Illusion aus Deinem Bann, Königin, zu treten. Dahinter ist nichts mehr - - auch kein Stolz. Man denkt, es ginge nicht ohne diesen Rausch,- und wenn man es nicht denkt, spürt man es. Alle spüren es, wenn sie auch fliehen - sie versuchen es. Als ob der Sonne entlaufen werden könnte. Stadt der Städte, wo Gebäude tanzen und die vagabundierende Anziehung verströmen, wo du Wanderer schon aufgeteilt bist unter den Lüsten der Unterwelt. Sehnst du dich nach Licht, so gräbt doch das Gewicht der Unerreichbarkeit das Gewusste weg - und du fällst... Königin! stille nicht ewig diesen Hunger - nur den Moment der Entladung - ach währte er ewig. Aber unsere Feuerblume ist nicht genug. - Wie klein sie ist, Königin ! Dass Du sie gefunden hast, die Felder der Sterne, dass sie zergingen in Deinem brennenden Anschmiegen, - und blaue Blüten wuchsen, wo Aschefelder lagen. Wo Leben und Wandlung von Sternen war und rufen nach Lösung. Extatischer Schrei. War er auch leise - Mehr als jede Gestalt formt die Sehnsucht den Hauch, wie er den Kuss begleitet, - wie er verweht. Wir, ruhelos zerrend an den Fesseln des Augenblicks, selbst wo er den Göttern scheinbar naht, träumen von Ewigkeit glücklicher Lösung. - Zu befürchten aber ist, dass das weilende Glück uns nicht mehr fände im Hier und Jetzt, da wir zum Dort gewendet ins Übermorgen streben. Frühling jeder Generation geht in neue Städte, findet eine Heimat irgendwo. Unbekannt woher, wohin. Später kehrt das scheinbar ewig Kreisende zurück. Sagt, es war, und sagt, es war schon einmal. Unverhofft lächelt ein königliches Gesicht... Immer neu habe ich die Linie am Horizont gesehen, hab die Träume durchschritten und die Zeiten gesehen, Frühling, Sommer, Herbst und Winter und die Sichel des Mondes, wie er die Venus scheinbar gleichgültig in seiner Nähe vorbeigehn sieht. Spiel scheint dir leicht und gar die Lösung mancher Fragen. Doch du schauderst bei dem Zufall, der die Katastrophen anführt. Und die Regeln und den Trug der Sicherheit wollen wir nicht einen Tag so ganz und gar. Wo Regel wirklich war, ist heute Wüste. Also du wählst trotz der Gefahr den Höhepunkt und die Extase. Wahlverwandt den Blumen, der Arena und dem Tanz willst du alles, alles halten und doch Vergessen, - das grosse Nichts. Wer warst Du, wer bist Du herbe, magentisch-süsse Orchidee, Königin ? Längst bin ich nichts mehr ohne Dich. Und doch: ist die einsame Welt, das leere Haus in uns unausweichlich wie der Raum, das Haus der Sonne.? Du aber in mir, Du auf dem Weg unter den Horizont, Du Königin... ..... Die Frage blieb offen: hatte sie das Gedicht gelesen ?1 Hatte sie aus den wörterlosen Geschichten des Fühlens, der furchtbaren Nähe gesehen, was geschah ? Wusste sie alles ? Berg war, kurz nachdem alle Vier wieder zusammenn sassen, mekwürdig nervös geworden. Er dachte daran, loszufahren mit den Motorrädern. Er sprach: Ich würde gern bald unsere Reise in den Süden fortsetzten." Zu Korthaus gewandt:" Falls es Ihnen recht ist." Also besprachen die Vier, wann die Abfahrt am Besten für alle passen würde. Es war ein Entschluss, der zu einem Heranwachsenden passen würde. Deshalb fragte Korthaus, nachdem die Beiden allein waren: " Was ist los." Berg meinte: " Nietzsche wars:` Es ist Zeit, höchste Zeit. Aber wozu ist höchste Zeit.`" Es vergingen noch der nächste Tag und die folgende Nacht. Dann fuhren sie los. Erstes Ziel war Perpignan, dann die Pyrinäen und Barcelona. Während sie die Route National dahin fuhren, mit leichten Helmen und flatternden Haaren, bunten Ledersachen, abgewetzten Jacken, etwas Gepäck, glichen sie den Althippies der Loire. Jeder dachte während der Fahrt zwangsläufig sein Teil für sich. Berg nahm sich vor mit Korthaus über die Bewertungen der Ideale und der pragmatischen Dinge zu reden. Seltsam war ihm nach wie vor, dass alles, was ihn mitriss, mit Kunst, Frauen und Freiheit zu tun hatte. Zugleich wurde ihm bewußt, dass es so nicht ganz zutraf. Auch das erhebende Gefühl war wichtig gewesen, etwas bedeutendes Nützliches zu machen. Die ersten Vorträge in Philosophie, damals als der erste Weltkrieg noch nicht in der Luft lag. Auch die Begeisterung an die gelungenen Manöver seiner Kavallerie in Tannenberg unter Hindenburg. Der Wiederaufbau in der Trümmerlandschaft Berlins 1945. Die erste Marssiedlung... Alles hatte seine Zeit gehabt. Der Stolz, der unsichtbar für andere bleibt, der des Zuspruchs entbehren konnte. Wie gross war da der innere Mensch, er selbst für sich. Und doch kamen Zweifel über den Stellenwert der getanen Arbeit, wenn das Weib in traf, ihn gepackt hielt, nicht ein Bestimmtes, sondern verschiedene Bestimmte im Laufe der Geschichte. Und die Erschütterungen ästhetischer Höhepunkte. Man bewegte sich hin zum Einmaligen, spürte, dass hier etwas in die Welt hinaustritt, ausdrückt, das nur blass im Sichtbaren sich zeigt, scheinbar unsichtbar bleibt, und scheinbar überflüssig, ... und doch, was wäre seine Welt ohne sie. Die schmale Strasse am Fuss der Pyrinäen führte 50-100 Meter hinauf, genug um das Mittelmeer zu sehen und einen Teil der Bucht bei Perpignan. Jenes Stück, dass auch Napoleons Truppen sahen auf ihrem mörderischen Marsch von Spanien nach Wagram. Zunächst erschienen die Schilder mit den Hinweisen auf die Giraffen unverständlich. Korthaus sah sie aber bald vorbei ziehen mit neugierigen Augen. Später, als sie bereits wieder hinab fuhren, kamen sie an ein Dorf mit schönen Frauen. Sie sassen vor den kleinen Häusern, standen in den Gärten, fuhren auf den Wagen mit der Ernte heim, trieben die Kühe aus den Wiesen ,..wo waren die Männer? An der Uferstrasse machten sie eine Pause. Berg sagte: " Haben Sie eine Erklärung?" Korthaus lächelte verschmitzt und meinte: " Meine oder eine realistische ?" Berg antwortete:" Beide." " Ein neurologisches Phänomen." Berg sagte erstaunt: " Nicht mehr ?" Korthaus erwiderte: " Verrücktwerden reicht doch." " Ich dachte bei den Giraffen an ein Umweltprojekt", sagte Berg:" aber die schönen Frauen, es waren zuviele und alle anderen fehlten." Korthaus wurde ernst: " Wie ich es drehe, es scheint mir bedenklich. Wenn es das Ich ist, dann ist es kein Trost, denn verrückt sein kommt immer aus dem Ich. " Nun passierte etwas Merkwürdiges: Ein Schiff kam über die Berge. Es wurde wie van unsichtbaren Fäden gezogen. Es war scheinbar sehr groß, aber als es näher kam, war es doch nur etwas größer als ein altes Ruderboot mit Aufbau. Die Beiden gingen dorthin. Als sie nahe heran waren, zeigte es sich als ein altes vertrocknetes Boot. Korthaus klopfte daran und meinte: " Bis auf die scheinbare Fahrt des Schiffs und den Ver- grösserungseffekt ist ein altes, liegen gebliebenes Boot." Berg meint: " Schön, aber hier ?" Korthaus machte Berg nun auf ein Feld von kleinen rosa-violett-farbnen Blüten aufmerksam, die in einer Art Moospflanze wuchsen. Sie rochen schwer und süss und benebelten das Bewusstsein. Berg sagte: " Vielleicht ist das die Lösung der Rätsel. Diese Pflanzen wachsen hier überall. Ich habe sie bereits vor dem Auftauchen der Giraffen gesehen." " Wie wärs mit einem Experiment ?", fragte Korthaus. Berg stimmte zu. Also die Beiden schnüffelten in dem Feld herum. Der erwartete Effekt blieb aus, meinten sie. Die Schläfrig- keit spürten sie nicht mehr. Sie sanken zu Boden und schliefen in dem weichen Moos ein. Nach einer Weile schreckte Berg hoch, rief etwas, sprang auf, lief fast zu den Motorrädern. Dann wurde ihm klar, dass Korthaus noch im Moss lag. Er ging zurück und rüttelte ihn wach: " Wir müssen hier weg. Es ist ein Betäubungsduft." Korthaus rappelte sich hoch. Bald fuhren die Beiden weiter. Am Fuss der Pyrenäen in der Ebene nach Figueres setzten sie sich in ein Bistro am Strassenrand. Berg sagte zu Korthaus: " Ich würde gern wissen was das gewesen war, LSD vielleicht ?" Korthaus antwortete:" Könnte sein, aber es ist vielleicht ein Summeneffekt gewesen. Das Auftreten der Giraffen ist real, das trockene Boot auch, aber die Vergrösserung des Bootes, das Schieben über den Berg sind LSD ähnliche Effekte gewesen." Berg meinte:" Was halten Sie davon, die Sache zu untersuchen. Die Frage der Realität und der Stromtheorie." In Korthaus wurde wieder der Entdecker geweckt. Er stimmte sogleich zu. Die Beiden nahmen ihren Expresso und fuhren danach wieder in die Pyrenäen zurück. Sie fanden das Blütenfeld sofort wieder. Korthaus nahm eine Probe der Pflanzen, versiegelte sie und steckte sie in den Rucksack. Berg meinte die Wirkung der Pflanzen zu spüren. Er sagte: " Die Farben um uns herum verändern sich. Das Blaugruen der moosartigen Blätter wird blau, die Blüten werden karminrot." Korthaus meinte: " Ich sehe das noch nicht, aber ein leichter Schwindel kommt hoch. Wir müssen weg." Berg fragte: " Noch weiter zurück?" "Bis zum Giraffengebiet." Die Beiden brausten los. Sie fanden die Hinweisschilder des Giraffenparks an der vermuteten Stelle, aber keine Tiere. Sie hielten kurz an, und auf ein Zeichen von Berg wendeten sie ihre Maschinen und fuhren nach Figueres zurück. Mit Einbruch der Dunkelheit kamen sie dort an, nahmen ein kleines Hotelzimmer und begaben sich in das mit Lampions geschmücke Gartenrestaurant. Korthaus fragte Berg: " Die Aussenwelt eines Organismusses ist also nur ein Kompromiss um den inneren Zustand aufrecht zu erhalten ?" Berg antwortete: " Ja, könnte man sagen. Der innere Zustand ist die "Welt" des Organismusses, eine eigene selbstgeschaffene Wirklichkeit, die selbst Betrachter und Betrachtetes in eins ist, Tat und Leben durch und durch." " Und das Ich, welches die ganze Welt macht, Innen-und Außenwelt zusammen ?" Berg antwortete: " Das Ich ist eine Illusion, die notwendig ist um die Welchselwirkung zur Außenwelt zu erhalten. Auch das Ich ist Leben durch und durch, und auch die Außenbwelt selbst ist Leben durch und durch." Korthaus fragte: " Wer gibt denn nun die Garantie, dass diese scheinbar grund- legene Scheidung in Innen- und Aussenwelt existiert ?." Zur Verblüffung Korthaus sagte Berg: "Niemand. Es spricht manches für den reinen Werkzeugcharakter dieser Trennung. Eigentlich ist nur der neurologische Apparat im Organismus und die Ausdünnung der Wechselwirkungen an der Haut zur Umwelt ein deutlicher Beweis dafür. Es könnte aber auch ganz anders sein. Ein Gesammtapparat, der sich als Ich und Welt definiert." " Oder als ein Ich insgesammt sieht", fügte Korthaus hinzu." " Auch das wäre möglich, ihr Ich könnte sein. Nur wäre es dann verteilt auf alle Lebewesen und Nicht-lebewesen, eine Art Wesen, das man auch als kosmisches Bewußtsein betrachten könnte." Korthaus kannte diese größte aller Annäherungs- möglichkeiten zwischen Berg und seiner Idee des Ichs. Er sagte: " Es spricht vieles dafür, dass die Abtrennungen der Teile untereinander nur relativ sind, die Undichtigkeit der Grenze zum Beispiel. Aber ich meine, das Gemeinsame ist die Produktion letztlich nichtidentischer Prozesse, Bewegungen und Artefakte. Es könnte sich in einer Art Ich-Kosmos abspielen." Berg meinte: " Wenn da nicht eine kleine wichtige Unstimmigkeit wäre, die Nichtidentität auch aller Oberbegriffe mit sich selbst. Es zerfällt doch wieder in Fragmente." Nun wurde das Essen gebracht, und die Beiden wechselten ihr Thema. Am anderen Morgen begaben sich die Beiden wieder in den Garten um zu frühstücken. Korthaus griff das Gespräch des Vorabends auf: " Habe ich Sie richtig verstanden, dass es zwar eine Gesamt- heit lose verbundener und teils getrennter Elemente gibt, aber kein Zentrum ?" Berg erwiderte: " Ja, die Einheit ist scheinbar. Sie ist einer Quelle vergleichbar, die als Einheit produziert, aber um den Preis, dass die Produkte auseinanderfallen in eine Vermehrung der Welt." Korthaus sagte: " Das ist ein hervorragendes Bild für die Stromtheorie. Nur ist das Ich unentbehrlich um ein völliges Zefallen in Unverbundenes zu verhindern." Erstaunlicherweise stimmte Berg zu:" " Sie habe recht." Dann relativierte er seine Bemerkung mit der Frage: " Aber was ist das Ich ?" Sie schwiegen eine Weile. " Ihnen ist klar, wie verrückt unser Versuch ist, etwas über das Ich zu erfahren ?", fragte Berg. Korthaus antwortete: " Ja, natürlich nicht nur in einer Hinsicht. Sie denken an die Stromtheorie ?" "Wenns nur das wäre. Aber ich denke an die Konsequenzen. Solange man Dinge produziert, werden vom Subjekt Modelle eingesetzt, das ergriffene Material zu deuten umzuformen und Objekte zu entlassen. Dabei ist es uns letztlich egal ob die internen Schritte im Prozess echte Wiederholungen, echte Modelle usw. sind. Es könnten völlig skurille Operationen ablaufen, die wir als logisch empfinden, gesetzt, das Ergebnis ist der Absicht nahe, bzw. das Ergebnis lässt sich als erreichte Absicht deuten und uns am Leben. Also wir braten ein Stück Fleisch, essen es, werden satt und sind infolge dieser Prozedur andern Tags noch am Leben und braten wieder ein stück Fleisch. Aber das Ich, was kommt dabei heraus ? Am Ende jeder Prozedur sagen wir: Das also bin ich, das da ist der Andere, machen wir weiter damit. Und sofern man irgendwie nicht zuviel Unsinn produziert, überlebt man damit um anderen Tags etwas Ähnliches zu tun." Korthaus fragte: " Soweit gut, aber worauf wollen sie hinaus ?" Berg fuhr fort: " Wenn wir bei der Produktion des Ichs abtriften, irgendwo hin, dann ensteht möglicherweise ein Widespruch zum Andern, bis er sagt: Stop, hier folge ich nicht mehr. Wenn der Andere aber mitgeht, dann ist kollektiver Wahnsinnn möglich. Ich denke so sterben Arten aus." Korthaus meinte: " Eine bestechende Ableitung, aber sie mildert nicht die Rolle des Ichs." Berg meinte: " Das denke ich doch, denn wir könnten abtriften und immer uns sagen: Ich, - und dabei ist man ganz woanders und nennt es Ich." Korthaus grübelte, ein sicheres Zeichen, dass Berg ihn an einem zentralen kitzeligen Punkt getroffen hatte. Nach einer Weile sagte er: " Sie haben recht, denn das Ausstrahlen und Größerwerden im Strom betrifft alle Begriffe. Überspitzt gesagt, wir könnten längst zu Giraffen geworden sein und hielten uns noch immer für Menschen." Berg meinte:" Aber diese Art Verfälschung der Welt ist relativ selten, warum ?" Korthaus meinte: " Vielleicht,weil es sich nicht lohnt. Aber die Gefühlsebene zu verfälschem lohnt mehr." " Wie meinen Sie das?" Korthaus antwortete: " Man liebt und schafft eine Vorstellung, die keineswegs Bestand hat und sich wandelt. Die berühmte rosarote Brille der Verliebten und der Himmel voller Geigen. Wenn aber die Zeit genagt hat, was entsteht dann ? Oft trennt man sich und sagt sogar: du bist nicht mehr der, der du gewesen warst. Es lohnt sich so zu verfälschen. Zum Beispel findet man den Grund etwas neues anzufangen. Biologisch ist es konsequent: Vermehrung, eine neue Mischung von Nachfahren." Berg sah das genauso: " Das heisst der Organismus kümmert sich nicht unbedingt um das Ich und schafft sich selbst die Kriterien der Bewertungen. Das Ich darf dann zustimmen und sich einbilden, es wäre seine Entscheidung gewesen." Korthaus sah die Genugtuung in Bergs Gesicht. Er vermutete, dass Berg glaubte, die Rolle des Ichs in Korthaus Denken grundlegend erschüttert zu haben. Dem war keineswegs so. Korthaus fuhr nämlich fort: " Ich weiss, dass die Summenbegriffe immer fragwürdig sind. Sie treffen oft etwas sehr wichtiges nicht. Das Problem der Definition und der Worte als Namen. Ich denke, was ich als Ich auffasse ist nicht das Ich der Umgangssprache und nicht das Ich der Psychologie. Es ist eher das Selbst des Nietzsche, welches zuweilen eins ist mit dem Ich, aber meist mehr bedeutet als das Ich." Berg sah ihn an und schwieg eine Weile. Dann beschlossen die Beiden aufzubrechen und in den Ort zu gehen. Bald schon setzte Korthaus das Gespräch fort. Er sprach: " Ich möchte Sie an einen Irrtum erinnern, der die Grundlage einer objektiven Perspektive der Welt ist." Berg forderte ihn auf: " Bitte tun Sie es." Korthaus begann: " Die Suche nach dem Ich, dem Bewusstsein, dem Willen wird ebenso gemacht wie die Suche nach einer seltenen Pflanze, einer bestimmten technischen Lösung usw. Das heisst, man definiert Objekte, zerlegt sie, fügt sie in ratioanale Modelle ein, berechnet sie mathematisch usw. Der Erfolg stellt sich ein, wenn etwas gemacht werden kann, was mit bestimmten Gewinnen für Gesundheit, Wohlstand und Befriedigungen aller Art verbunden ist. Die wahrheit des Modells wird an einem neuen Modell bewiesen. Es beweist aber nur zwei verwandte Prozeduren, die sich in miteinander identifizierbaren Resultaten zeigen. Dahinter steht der subjektive Apparat, also das als Ich Genannte oder das Selbst, das Bewußtsein usw. Wenn dem objektiven Prozedere nun das Modell des Ichs oder das eigene Ich unterworfen wird, kommt es zu objektiven Resultaten, die dem Ergebnis objektiver Produkte nahekommen. Aber es ist nur eine Prozedur der Selbstbestätigung. Weder sind die innersubjektiven Prozesse mit einer angenommenen Außenelt identisch, noch kehrt irgendetwas spiegelbildlich wieder. Die Organismen brauchen das auch nicht. Es ist also das Ich oder Selbst nur als ein Teil im Produktionsstrom der Erkenntnis und Anwendungen erschließ- bar. Aber eine Aussage über den Rang zwischen Ich und Außenwelt wird damit nur teilweise festgestellt. Man stirbt bei bestimmten Prozeduren, bei anderen lebt man. Keiner der Begriffe, Formeln, Worte und Modelle führt zu einem letzten "Atom", einem Erdenrest im Kleinsten. Das gesammte Geflecht des im Bewusstsein Aktivierten hängt in der Luft. Was macht das Ich aus ? Es ist die Rückkopplung von Bestätigungen und grundlegenden Tätigkeiten und Prozeduren, deren Wiederholungen, die das Leben ermöglichen. Und was ist das Leben: Es geht irgendwie weiter..." Berg antwortete: " Gewiss ist es eine praktikable Perspektive, den Vorrang des Ichs so zu sehen. Ich bitte Sie aber: Bedenken Sie das Nichtidentische und Offene. Es betrifft alle Kategorien und Begriffe. Vielleicht gewinnt die Objektivität durch die Unbestimmtheiten, die auch die Subjektivität nicht verschont, z.B. auch die Ortsbestimmung." Korhaus fragte: " Sie meinen, die Wahrscheinlichkeit, dass der Ort des Ichs auch im Nichtich liegen kann, dass beide Eins sind ?" Berg antwortete: " Ja," "Dann wäre das Universum das Ich und umgekehrt." Berg: " Ja." Korthaus fragte: " Wir nähern die antagonistischen Perspektiven einander an, in einer universalen Neutralisation der Bestimmbarkeiten. Berg antwortete: " Ja,das Ergebnis der Identität wäre das Verschmelzen paradoxer Fragmente im Nichtidentischen." Korthaus meinte: " Ich hab gerade ein Bild im Kopf: Eine Bühne auf der einzelne Schauspieler Plakate herumtragen. Auf einem steht z.B.: Handlung. Ein anderer trägt eins mit: Zeitraum, wieder ein anderer mit: Welt, ein weiterer mit: Individuum und zuletzt einer mit dem Schild: Wahrheit. Wir wissen, dass sie etwas repräsentieren, das unentbehrlich ist, wissen auch, daß es von den, auf den Schildern bezeichneten Dingen nichts Auffindbares gibt. Wird einer der Schauspieler objektiv seziert, oder ein Plakat mikroskopiert,- nichts Substanzielles würde von dem gefunden, was drauf steht." Berg erwiderte: " Ein wirklich starkes Bild." Berg fragte: " Welche Rolle spielt nun das Ich ? Ist es der einzige Fix- punkt in dem völlig schwammigen Raum der Bewegungen ?" Korthaus antwortete: "Ich höre Ihre Skepsis aus der Frage. Sie haben auch recht. Wenn man keinen Fixpunkt, keine Mitte, keinen Anfang findet, dann ist es schon verständlich, dass man in einer Totale endet, einem Bewußtsein, einem universalen Leben, usw., obschon Sie das auch relativieren würden." Berg meinte: "Ja, ganz gewiss kommt aus dem Ungefähren kein fokussier- bares Resultat zustande. Wenn es aber so ist, wie in ihrem Bild von den vorgespiegelten Begriffen, bleibt man bei dem Ich hängen. Descartes hatte gewiss recht, wenn überhaupt einer." Korthaus sagte: " Es überrascht mich etwas, dass Sie das anführen. Aber ich neige dazu Ihrem Gedanken einer beinahe voll- ständigen Auflösung im Nichtidentischen zuzustimmen. Nehmen wir an, alles ist vorgetäuscht, nur der Vorgang der Vortäuschung ist gewiss,- oder einigermassen gewiss. Was bleibt dann ?" Berg lachte: "Sie sind und bleiben ein Kobolt. Was würde ich sagen ? :` Das Ich.`" Korthaus lächelte und meinte: " Falls Sie nicht wieder dieses Spiel probieren: Du meine Jacke, ich Deine Jacke." " Wer weiss ?", antwortete Berg. Da sie an einam schönen, von wilden Blumen eingerahmten Vorgarten eines Bistros angekommen waren, zeigte Berg auf die Stühle und meinte:" Einen Pernod ?". Korthaus nickte und ging mit ihm hinein. Sie tranken einen Pernod. Berg fuhr mit dem Gespräch fort: " Wenn man zurück blickt, kommen einige vernünftige Aktionen zusammen. Da wir noch leben und bei guter Gesundheit sind, ist die Analyse bisher erfolgreich gewesen. Freiheit wäre bei völligem Determinismus nicht möglich. Man könnte andererseits sich Freiheit nur einbilden und dennoch von Determinismus ausgehen, wenn nicht aus anderen Perspektiven gerade der Determinismus fragwürdig wäre." Korthaus sprach: " Das sehe ganz genau so wie Sie. Der einzige wirklich zutreffende Prozess eines Determinismusses ist die Neurose." Berg fragte: " Und die Wissenschaften ?" Korthaus antwortete: " Sie sind längst invertiert. Sie liefern ständig Material der Unschärfe." " Aber ohne Determinismus läuft nichts." wandte Berg ein. Korthaus meinte: " Gewiss. Das Problem des Detetminismusses kommt aus der Generalisierung methodischer Bestandteile. Um ein Bild zu nehmen: Feuer ist ein überall verbreiteter Prozess. Aber dennoch wird ohne sauerstoffhaltige Atmosphäre nichts brennen - einige Ausnahmen weggelassen. Deshalb ist es auch keine Grundkraft mehr wie in der griechischen Antike." Berg meinte: " Eine weitere, für Verwirrung sorgende Kategorie ist der Zufall. Fast jeder fasst ihn unterschiedlich auf. Dem Einen ist es das Zusammentreffen verschiedener Kausalketten in einem Prozess. Einem Andern ist es etwas ohne jede Absicht Zusammentreffendes. Wieder ein Anderer hält Teilabsichten für möglich. Determinismus wird im Untergrund für wahrschein- lich gehalten, wobei die Ursache Wirkungsgeflechte noch nicht auflösbar erscheinen. Es sind jedenfalls gedachte maschinen- ähnliche Vorgänge." Korthaus fragte: "Und was ist es für Sie ?" Berg antwortete: " Sie wissen es. Wir haben es mit Wachstumsprozessen zu tun die teils von determinierten und teils von nicht- identischen Prozessen scheinbar bestimmt sind. Zufall ist keineswegs gleich Zufall." Berg sah zu den Sommerblumen und den blühenden Strauchranken des Gartens und sprach zu Korthaus: " Eigentlich ist das nicht die Landschaft für böse Träume. Aber es geht doch." Korthaus war neugierig geworden. Er fragte deshalb: " Erzählen Sie?" " Aber ja! Irgendwie hat die unterschwellige Auseinander- setzung mit der Ichfrage den Auslöser gespielt. Eine Vulkan- landschaft und fast lichtlose Schluchten, dann wieder Wölbungen aus roten quabbeligen Gebilden. Ständige Auflösung von Formen, alles diffus, aber freudlos und bedrohlich. Entsprechend dieser Bilderwelt das Gefühl von Haltlosigkeit. Ich kann es nur interpretierend beschreiben. Es fehlte der Kern jeder Sache." Korthaus fragte: " Sie denken an das Bodenlose, der Verlust des Subjekts ?" Berg antwortet: " Alles ist konstruiert, es bleibt nicht einmal eine Zeitstrecke oder ein Gebilde. Wie lange hat es wohl gedauert, bis diese Dimensionen gewachsen waren?" Korthaus erwiderte: " Sie kommen in einen Bereich, der meine Übrzeugungen schon früh beeinflusst hat. Man spürt: ohne das Setzen von Ich-kernen beginnt eine vollständige Auflösung aller Objekte, Gestalten, und zuletzt der Zeit und der Erinnerung." " Also die descartsche Lösung", meinte Berg. Korthaus stimmte zu und sprach: " In einer moderneren Formulierung heist es: " Ich war ich bin, ich werde, sein usw." Berg meinte: " Das ist vielleicht notwendig, es so zu sagen. Descartes kann man missverstehen, als ob eine objektivistische Wendung denkbar wäre. Hingegen ist Ihre Version ein Hinweis, dass alle Parameter aus dem Ich definiert werden." Korthaus sagte: " Aber auch die Lebenshypothese kann falsch verstanden werden." "Ja," meinte Berg,:" wenn man vergisst, was das Objekt ist: es liegt dem Subjekt vor und nicht umgekehrt." Korthaus Handy klingelte. Das war die absolute Ausnahme. Dass er auch blass wurde, war fast ausgeschlossen. Er wurde blass, gab das Handy Berg und sah ihn abwartend an. Berg blieb äusserlich ruhig. Dann war das Gespräch zuende. Berg sagte zu Korthaus: " Die Röhrenbahnhöfe, mindestens zwei sind auseinadergeb, St.Nazaire und Todtendorf. Lassen Sie mich telefonieren. Berg wählte, Müller kam dran. Berg sagte: " Perpignan, wie lange brauchen Sie ?" "Reine Flugzeit plus 30 Minuten. Fliegen Sie los und starten Sie den Plan 'Bergbau'". Müller betätigte. Berg lehnte sich zurück und liess die Luft raus. Korthaus fragte: " Sie öffnen die Zweitstationen." Berg bejahte und sprach: " Wir wussten es ja." Er hatte alle Röhrenbahnhöfe dopelt gebaut. Bei einem Anshlag sollte die Umstellung vom zerstörten auf den Ersatzbahnhof innerhalb einiger Stunden fertig sein. Seine Ansicht zu Gewalt war, dass sie ein pädagogisches Problem ist. Er hatte von Anfang an mit Anshlägen gerechnet. Die Doppelbahnhöfe sollten an erster Stelle das Erfolgserlebnis der Täter stören. Demotivierung sollte es sein. Dann brachen die Beiden auf. Sie holten Ihre Sachen und fuhren mit den Maschinen Richtung Perpignan. Am späten Nachmittag kamen sie am Flugplatz Perpignan an. Müller stand mit dem Hubschgrauber bereits dort. Sie gingen zu ihm, überliessen die Maschinen einem Techniker und flogen los. Bergs Absicht war es, die Eröffnung des Ersatzbahnhofs St.Nazaire selbst zu leiten. In der Nacht wurde der Röhrenbahnhof St.Nazaire erreicht. Es hatte nur wenige Verletzte gegeben, glücklicherweise. Aber Berg und Korthaus wussten, dass es kein Glücksfall gewesen war sondern ein Schutzsystem, welches ausser den Beiden und einigen Ingenieuren in Hamburg niemand kannte. So sollte es auch bleiben. Man wunderte sich, dass die Eplosionen so seltsam zeitverzögert abgelaufen waren. Als die Sensoren in den Bahnhöfen, den Aufbau der Druckwelle massen, gab es eine Art Erstarrung des Vorgangs, der erst 30 Minuten später sich fortsetzte. Die in den Bahnhöfen Anwesenden konnten in dieser Zeit evakuiert werden. Am späten Abend des angebrochenen Tages begaben sich Berg und Korthaus zum Strand. Korthaus sprach: " Es hat funktioniert." Berg meinte: " Besser als ich es gehofft hatte. Aber es gab auch Neben- wirkungen." Korthaus meinte: " Grippesymptome, hiess es in den Nachrichten." Berg antwortete: " Ja, die Zeitkerne verändern auch die Abläufe in den Organismen, glücklicherweise aber deutlich geringer als in den unbelebten Stoffen." "Haben Sie dafür eine Erklärung ?", fragte Korthaus. Berg antwortete: " Der Zeit-Raum, der durch jede Art Bewegung gesetzt wird, ist immer unterschiedlich. Für uns sieht es wie eine Zeitstrecke aus, aber jeder Ort hat seine eigene Zeitstruktur. Wir sind an eine bestimmte Mischung von unzähligen Mikrobewegungen gewohnt, deshalb erscheint die Zeit einheitlich." Korthaus sagte: " Ja ich erinnere mich, wir sprachen davon. Hätte man von aussen etwas messen können, vielleicht Tiere, die plötzlich sonderbar werden ?" Berg meinte: " Möglich, wir müssen schon damit rechnen, dass es irgendwann heraus kommt." Berg wurde angerufen. Das Ausgrabungsteam auf den Azoren hatte ein Tal entdeckt, dass mit seltsamen Pflanzen bewachsen war. Berg und Korthaus liessen sich sofort dorhin fliegen. Sie kamen in den Abendstunden des anderen Tags im Hauptlager an. Der leitende Archäologe, ein alter Freund Bergs aus der Studentenzeit in Marburg, begrüsste die Beiden: " Sie werden es nicht für möglich halten. Wir haben eine völlig unbekannte Flora entdeckt. Mindestens einige hundert Arten, teils fleischfressend, teils farbverändernd. Alle orchideenähnlich." Sie bechlossen am anderen Morgen hinzugehen. Mit Rücksicht auf die Pflanzen wollten sie keinen Hubschrauber einsetzen. Also gingen sie noch in der Morgen- dämmerung los. Das Tal war von Gebirgsketten hermetisch abgeschlossen. Der Zugang über einen niedrigen Pass verlangte nur wenig Kletterei, die ohne Seile und Haken möglich war. Der erste Anblick war unglaublich. Das Tal war von Farb- flächen ausgefüllt, die von den Blumen herkamen. Es waren grellrote, grüne und dunkelblaue Flächen in den Grössen von einigen tausend Quadratmetern. Sie standen dort am Ende des Passes, etwa 200 Meter höher als der nächste Hang und staunten. Der Archäologe wies mit dem Arm in den östlichen Ausläufer der Talsohle, in dem gerade eine Farbveränderung ablief. Grüne Flächen wurden dunkel, dann dunkelgrünblau, etwa innerhalb von 3 Minuten. Am westlichen Talausläufer begann eine weitere Veränderung. Eine grellrote Fläche wurde dunkelrot. Es sah etwa so aus wie die elektrischen Vor- führungen in der Objektkunst. Berg fragte: " Das sind Pflanzen?" Der Archäologe bestätigte. Die Drei gingen hinab und kamen an ein Waldstück, welches von Bäumen bewachsen war, die Palmen entfernt glichen, deren Blätter- kronen aber von sehr grossen Orchideenblüten gebildet waren. Sie hatten nach oben gerichtete Mäuler, die die Form von fleischfressenden Pflanzen hatten. Ab und zu schnappte eins zu. Was sie fingen, war nicht sichtbar. Nun sahen sie die Verfärbungen auch an diesen Bäumen. Die Blütenblätter wurden dunkel, nicht gleichmäsig sondern in bänderähnlichen Formen. Dann färbten sie sich von grün zu blaugrün. Nachdem sie sich umgesehen und einige Fotos gemacht hatten, begaben sie sich wieder zum Lagerplatz zurück. Am anderen Tag wurde eine Expedition zusammen gestellt, die Pflanzen und Bodenproben einsammeln und Messgeräte installieren sollte. Als in den Morgenstunden die zwölfköpfige Mannschaft im Wald ankam, geschah etwas Merkürdiges. Einer der Techniker klagte über Schwindel, ein anderer ging plötzlich gedankenverloren in den Wald hinein. Es wurde erst spät von den übrigen Mitgliedern bemerkt. Man begann ihn zu suchen. Er war von einer fleischfressenden Pflanze zur Hälfte verschluckt worden, sein Oberköper ragte noch heraus. Aber er war nicht bewusstlos und schien auch keine Schmerzen zu haben. Man sprach ihn an, er war aber wie in Trance. Berg und der Archäologe beschlossen den Schlingkopf abzuchneiden. Die Pflanze war zäh und ledrig. An der Schnittstelle rann eine weissliche Flüssigkeit heraus. Als der Schlingkopf abgeschnitten war, ging die Spannung heraus, und der Mann konnte herausgezogen werden. Er war bereits teilweise verdaut, blutete aber nicht. Ein anwesender Arzt versorgte ihn so gut es ging und meinte, die Beine würden wohl bis zu den Knien amputiert werden müssen. Es war ein Glück, dass die stabile Bekleidung die Verdauungssäfte der Pflanze beschäftigt hatte. Der Stoff war teils bereits aufgelöst. Das Schuhwerk und die Füsse waren aber bereits weggeweicht. Der Chemiker der Gruppe nahm Proben von allen möglichen Stellen des Körpers und der Pflanze. Auf dem Rückmarsch verstarb der schwer verletzte Techniker, obwohl ein Verbluten verhindert werden konnte. Er wurde am anderen Morgen ausgeflogen um in einem Labor untersucht zu werden. Unterdessen überlegten Berg und Korthaus, was man tun müsste um solche Unfälle zu verhindern. Man schlug vor sich anzuseilen und Betäubungspistolen mitzunehmen. Bei allen Teilnehmern der ersten Erkundung war ein dringendes Bedürfnis entstanden wieder in den Wald zurück zu kehren. Bei einem kurz vor der geplanten zweiten Expedition stattfindenden Gespräch sagte Korthaus: " Das war kein Unfall. Ich vermute der Mann ist verführt worden. Es würde mich nicht wundern, wenn in dem Körper des Toten Hormone festgestellt wurden." Berg meinte: "Ich denke auch, dass man etwas findet. Ich finde, das angenehme Gefühl, dass der Aufenthalt im Wald bereitet ungewöhnlich. Auch, dass alle umstandslos sofort wieder dort hin wollen, ist mit einer emotionalen Komponente gesteuert. Versuchen Sie einfach mal hier zu bleiben." Korthaus antwortete: "Ich habe keinerlei Lust dazu. Sie haben recht. Es gibt sofort ein Widerstreben in mir, vom Besuch des Waldes abzulassen. Es ist eine Widerstandsbildung im Gange, um es psychoanalytisch zu sagen." Berg sagte: " So ist es. Wir werden noch andere Vorsichtsmassnahmen brauchen." "Zum Beispiel ?" fragte Korthaus. Berg sagte energisch: " Ich bin dafür, erst mal hier zu bleiben. Erstens bis die Laborergebnisse da sind und zweitens, bis wir einen Notplan haben, der uns hindert in die fleischfressenden Mäuler hineinzulaufen." Die andern Teilnehmer waren ganz anderer Ansicht. Sie wollten nicht warten und hielten die Besorgnis der Beiden für übertrieben. Da hörte aber für Berg der Spass auf. Er besann sich kurzerhand auf seiner leitenden Rolle bei der ganzen Sache und befahl barsch weitere Ausflüge aufzuschieben. Beim gemeinsamen Abendessen sassen einige, sonst lebhafte junge Männer in sich versunken da und assen nichts. Korthaus meinte, gedämpft sprechend zu Berg: " Sie sehen wie liebeskranke Männer aus. Sie hatten völlig recht mit Ihrer Vorsicht. Es sind besondere Pflanzen im Tal." Es gab noch einige Ausgrabungsorte in der Nähe, die in den nächsten Tagen genug Arbeit machten, sodass die Wartezeit ziemlich rasch verging. Eine merkwürdige Beobachtung beschäftigte Berg und Korthaus. Die scheinbar verliebten Männer erholten sich bis auf einen, der in Depressionen fiel. Er musste schliesslich ausgeflogen werden. Als der Hubschrauber mit den Untersuchungsberichten kam, gab es ernüchternde Ergebnisse. Man fand weder im Toten noch in den Proben Gifte, Drogen, Hormone oder etwas Anderes, dass auffällig geworden wäre. Berg meinte zu Korthaus: " Damit habe ich gerechnet." " Wie das ?, ich übrigens auch." meinte Korthaus. Berg führte fort: " Wenn es das ist, was ich vermute, liegen die Dinge nicht einfach auf der chemischen Ebene. Wir haben es mit zurück- abgewickelter Zeit zu tun." Korthaus fragte: " Sehen sie einen Zusammenhang mit den Zeitkernen ?" Berg antwortete: " Nur sehr annähernd. Sehn Sie, die Zeitkerne sind so was wie Zentrifugalkräfte im subatomaren Bereich. Was wir hier gefunden haben sind anders codierte Lebensprozesse. Das ist um kaum beschreibbare Grössenordnungen feiner."Korthaus fragte: " Was schlagen Sie vor ?" Berg antwortete: " Niemanden mehr hingehen lassen, am Besten ein Fernsteuer- programm und Maschinen, so wie die frühen Marssonden es waren." Korthaus fragte: " Sie halten es für so gefährlich ?" Berg antwortete: " Für ganz und gar gefährlich. Verstehen Sie, wir kommen da nicht ran. Selbst dumpfe Gewalt würde nicht funktionieren. Wenn etwas passiert, dann können wir nichts tun. Was immer für uns herauskommt, sind sekundäre Folgen. Wir können auch nicht das Wetter ändern, indem wir den Regen sammeln." Korthaus fragte: " Was ist mit der Gruppe, die an den Zeitkernen arbeitet?" Berg antwortete: " Wir kommen nicht voran, das Zyclotron in Cern läuft immer noch nicht. Aber ohne den Beschleuniger gehts gar nicht weiter." Korthaus fragte: " Wenn man das ganze Areal ausbrennt ?" Berg antwortete: " Mit Kernwaffen geht es vielleicht, aber es wäre ein grosser Verlust. Es könnte auch sein, dass es nicht funktioniert. Wir sehen ja durch eine Art Zeitsprung nur Schattengestalten, vergleichbar den Platonschen Schatten und nicht die Idee, also das Wesen der Sache." Berg konnte sich in der Expedition durchsetzen. Es wurden keine Leute mehr zu dem Orchideenwald geschickt. Als erstes flog ein Hubschrauber über den Wald und machte Videos. Er kam auch heil zurück. Dann wurden spezielle Geräte bestellt und Neuentwicklungen in Auftrag gegeben. In der Nacht wurden enige der Männer wach. Ein seltsam schwerer Blütengeruch lag in der Luft. Zwei junge Spanier aus dem Archäologenteam gingen Richtung Wald. Da Berg noch wach war, hörte er, wie die Beiden aufbrachen. Er ging sofort hinterher. Als ihm klar wurde, dass sie in den Wald wollten, stellte er sie zur Rede. Sie waren in Trance. Berg versuchte, sie zurück zu dirigieren. Mit Mühen gelang es ihm. Aufgrund dieses Vorfalles gab es am andern Morgen eine Besprechung. Berg gab bekannt, dass das Hauptlager auf die nächstliegende Nachbarinsel verlegt werden müsste. Es sei zu gefährlich hier zu bleiben. Er fand von allen Zuspruch. Es dauerte 10 Tage bis der erste Untersuchungswagen eingeflogen wurde. Es war ein Roboterfahrzeug mit 4 Rädern, zwei Videokameras, Radar- und Infrarotsensoren, ein Schaufel- baggerteil, verschiedene Behälter. Die Daten wurden über Funk gesendet, und auf Wunsch Bergs ein Tonresonanzgerät. Er hatte die Idee, dass die Pflanzen auf Schallwellen reagieren würden. Das seltsame Verhalten einiger Baumkronen beim Überflug des Hubschraubers war auf Videos zu sehen. Sie verfärbten sich unter dem Einfluss des Motorengeschräusches rascher als vorher. Man konnte spekulieren, ob es sich dabei um den Einfluss der Störung handelte oder um eine Antwort auf das Geräusch. Berg war der Ansicht, dass es sich um intelligente Wesen handeln würde, die mit den Eindringlingen kommunizieren könnten. Der Roboter fuhr einige Stunden, bis er den Orchideenwald erreicht hatte. Gleich zu Anfang stülpte sich eines der Pflanzenmäuler über das Gerät und schloss es vollständig ein. Offensichtlich versuchte es den Wagen zu verdauen. Auf den Kameras waren nur dunkelrote Lichtspuren zu sehen, die von dem Licht herkamen, das durch einige dünne Stellen der Pflanzenhaut schimmerte. Die Temperatur stieg an, zunächst auf 30 Grad. Dann wurden alle optischen Teile blind, offensichtlich aufgrund einwirkender Säure. Bemerkenswert war, dass die Borduhr nicht mehr richtig anzeigte. Sie spielte verrückt. Dann brach die Übertragung über Funk ab. Der Roboter galt als verloren.