f275 Fred Keil Erkenntnistheorie 5 Teil 3 Nr.275 Aachen 2005 Differenzierung ermöglicht die Bestimmung von Qualität. Im Bereich mikrokosmischer Grenzerfahrungen beginnt Unschärfe und reine Quantität. So gelangt man unterhalb der Differenzierung subatomarer Bausteine zur Energie als reine Quantität. Sie liegt unmittelbar an der Nichts- schwelle. Damit errreicht man eine maximale Auflösung der Wirklichkeit. Aber der Aussagewert über das Wirkliche ist gering. Die reine Quantität ist ein Trugschluss. Sie liesse sich in Qualitäten auflösen bei fortgeschrittenerem Stand der Forschung als der aktuelle es ist. Qualität ist das diffenzierte Aggregat identischer und nichtidentischer Kompositionen, während Quantität Identität ermöglicht, aber um den Preis reine Konstruktion zu werden. Dafür steht die Mathematik, als ein Gebäude aus unwirklichen und doch werkzeugähnlichen Modellen. Der Begriff der Wirklichkeit enthält den Produktionscharakter mit seinen nichtidentischen Momenten. Er verneint ein Sein im Sinn eines definierbaren Soseins. Er enthält aktive Aspekte und weist hin auf den Vorrang tätiger Subjekte. Der Energiebegriff ist ein Universalwerkzeug ohne Sein, aber ein hoch wirksames Konstrukt als Bestandteil einer Wirklichkeit, sofern diese als Summe aller wirkenden Erscheinungen verstanden wird. Der Ausgangspunkt einer Entstehungsgeschichte des Universums kann ein Modell sein, welches alle Lebensparameter enthält und nach der 3. Grenzfunktion enthalten muss, da weder ein Anfang noch ein Ende absehbar sind. Beide liegen jenseits der Nichtsschwelle. Dieses Modell müsste allen Erscheinungen gerecht werden und daher prinzipiell unter anderem auch für elektromagnetische Wellen, Korpuskeln, Kernbausteine, Moleküle, organische Wesen, galaktische und univsale Makro- systeme verwendbar sein. Das Reichsche Modell beschreibt eine lebende Röhre, die Teile seiner Umgebung einsaugt und verändert wieder abstösst. Diese Röhre kann in mehreren Varianten als lebendig beschrieben werden: Teilung, Auflösung in seine nächstniederen Bausteine, Verwandlung, ähnlich der Verpuppung, Nachwachsen früherer Formen, Geburt aus grösseren Aggregaten wie die sogenannte Kondensation von Elementarbausteinen nach einer heissen Anfangsphase der Entstehung des Universums. Die Röhre selbst ist zusammengesetzt aus Bewegungen, die über Scheinkugeln Substanz erscheinen lassen. Diesem Bild ent- sprechen die scheinbaren Materiekugeln der Atome. Beide Aspekte des Modells bleiben auf allen nur denkbaren Ebenen erhalten, da die Komplexität der Erscheinungen nicht auf- lösbar ist und sich im Bewusstsein stets rekonstruiert. Diese lebenden Röhren kommunizieren auf verschiedenste Weise. Auf der denkbar untersten Ebene tauschen sie Röhren aus. Sie ent- halten ähnlich den Leibnitzschen Monaden immer das gedachte Ganze, in jedem ein Universum, und in dessen kleinsten Teilen wieder ein Universum. Das Ganze auch nach oben ins Grössere hinauf. Das von den Röhren eingesogene Material ist selbst zusammengesetzt aus Röhren, ebenso auch das abgestossene. Alle diese Röhren sind Systeme von Bewegungen, die sowohl als körperhafte Röhren wie auch als nichtidentische Bewegungen auftreten, möglicherweise oszillierend. Das perspektivische Moment ist Teil des Lebensprozesses, dass heisst, jede Röhre nimmt wahr und reflektiert das Wahr- genommene. Ohne die subjektive Perspektive entstehen Objekte ohne subjektiven Kern, also leblose Dinge, die nicht möglich sind. Die Kommunikation lebloser Dinge verlangt ein externes Bezugssystem, so etwas wie die Naturgesetze, die nicht möglich sind. Vielmehr ist das Geflecht der Kommunikation als Ausdruck eintrainierter Konventionen zu verstehen, also bestimmt und zusammengesetzt aus Aggregaten mit Steuerungen und Steuerungszentren, also aus Subjekten. Die Zeit entsteht als Energieform der Röhren. Die Bewegung der Zeit wäre im vollenden Kreis eine Art pulsierender Gleichzeitigkeit. Im Falle des zur Spirale aufgebrochenen Kreises entsteht Zeit als Austritt. Dieser Austritt ist für die Kommunikation notwendig. Genau genommen ist mit den Leibnitzschen Monaden keine multiple Struktur möglich, da sie prinzipiell geschlossen sind. Kommunikation ist für geschlossene Systeme nicht denkbar, also sind sie nicht geschlossen. Aber auch die Notwendigkeit nichtidentischer Räume, wie sie in der 1. Grenzfunktion dargelegt ist, erlaubt keine Singularität. Die Zeit kann als reaktive Energie zur Gravitation und um- gekehrt betrachtet werden. Sie erscheint als Fliehkraft, die selbst den aufgebrochenen Kreis bedingt oder von ihm hervor- gebracht wird. Das Verlöschen des Bewusstseins, betrachtet als Prozess, lässt kurz vor der Bewusstlosigkeit eine Gleichzeit spürbar werden. Diese Gleichzeit ist jene Restenergie, die gerade noch zur Selbstempfindung, nicht aber zur Produktion voller bewusster Projektionen ausreicht. Die Zeit kann im Modell der Röhre auch aufgefasst werden als jene Bewegung, die Ein und Austritt von externem Material hervorbringt oder die von ihm hervorgebracht wird. Die hartnäckige Wiederkehr einer letzten identischen Grösse, Demokrits Atom, Platos Idee, Leibnitzens Monade, die Energie der Physiker und die 1, das a-a der Mathematiker, hat existenzielle Gründe. Es ist die Notwendigkeit der Grenz- ziehung zwischen Innen und Aussen, die hier seine praktischen Folgen zeigt: die erste Grenzfunktion. Das einzelne Bewusstsein nimmt nur sich selbst als Subjekt wahr. Der Solipsismus hat darin recht, sofern er nur diese Empfindung im Blick hat. Die Rückspiegelungen des Subjekts an seiner Grenze finden ein Äquivalent in den anderen Subjekten. Das Geflecht der Vermittlungen zeigt die anderen Subjekte als notwendig an, das heisst sie sind zweifach begründet. Dennoch sind sie nicht jene Realität, die nur für das Subjekt gilt. Ihre Realität ist die als Objekte in der Vermittlung. Vermittlung ist immer Produktion aus Subjekt und Objekt, ein Drittes. In ihm sind Subjekt und Objekt für einen nur hypothetischen Zeitraum verschmolzen um sofort wieder in Subjekt und Objekt uminterpretiert zu werden. Dies ist der Hintergrund für die Gleichsetzung des Anderen mit dem Objekt, die der Hebel ist, an dem die Todesmythologie anknüpft, durchaus auch zum Vorteil der Art, die über den Erhalt des Einzelnen sich stabilisiert. Die Grenze des Röhrenmodells liegt in seiner Individualität. Es ist im Allgemeinen ein Besonderes. Als letzte Grösse wäre es reine Quantität, die nicht möglich ist. Es gibt daher keine Realität für dieses Modell, aber möglicherweise ist es zur Analyse und Beschreibung von untereinander ähnlichen Prozessen brauchbar. Der Vorrang des Nichtidentischen legt es nahe, dass jede Lebensebene und Epoche völlig eigene Lebensparameter hat, und daher das Röhrenmodell ähnlich zu behandeln ist wie ein mathematisches, bezüglich seiner Ver- bindlichkeit. Bei Lebewesen mit unterschiedlichen Lebens- parametern können die einzelnen gedacht werden als ähnlich denen der Organismen, aber auch als völlig anders. So könnte die Reproduktion der subatomaren Teilchen wie im Urknall- modell aus einem einzigen Zentrum erklärt werden. Andere Prozesse, wie die Verdauung sind denkbar als solche, die in ihrer Ebene verbleiben. Die Frage ist, ob man die einzelnen Lebensparameter über- haupt als zusammengehörend erkennen kann, wenn sie in extrem verschiedene und weit auseinander liegenden Dimensionen wirksam sind. Es sind Wesen denkbar, die sich durchgängig von der subatomaren Ebene bis in galaktische Größenordnungen erstrecken. Gaswesen vielleicht, deren Funktionszentren unterhalb der Ebene der atomaren Bausteine liegen. Was man vorfindet, dient als Orientierungspunkt. Dies gilt für die kosmologische Geschichte, die Evolution und Archäologie gleichermassen. Die aus solchen Forschungen erstellten Bilder sind oft nur vorläufig. Neuere Forschungen und Funde können sie überholen. Obwohl der subjektive Ein- fluss nach rückwärts gering erscheint, und in die Zukunft, besonders der grösseren Zusammenhänge unbedeutent ist, könnte eine umfassende Wechselwirkung in der Vermittlung zu einem anderen Bild führen. Die kreative Phantasie ermöglicht die Erprobung neuer Kombinationen und die Ent- deckung von Neuland. Sie könnte auch in der Kette der erzeugenden Ursachen eine Rolle spielen ohne dabei eine idealistische Grundlage zu haben. In einem paradoxen Sinn wird die Welt so, wie wir sie machen. Jede Konstruktion einer Wirklichkeit unterliegt den Neutralisationen der Grenzfunktionen. Deshalb bringt die Frage nach einer objektiven Welt immer ein Paradoxon hervor. Die Einverleibung objektiver Zusammenhänge, ihre Zerlegung in praktikable Modelle, und die Erzeugung eines Werkzeugcharakters des subjektiven Gesammtbildes, ver- schleiern die Auswirkungen der subjektiven Produktion der Welt. Der Satz, das Subjekt erzeugt die Welt, ist paradox, zugleich zutreffend und vielfach nichtzutreffend. Der Darwinismus begründet die Realität aus dem Erfolg der Organismen in der Evolution. Damit wird mit der Methode identischer Strukturen das interessanteste Phänomen, das Nichtidentische unbegreiflich. An die Stelle tieferer Einsicht steht im Darwinismus das Konstrukt Zufall. Es ist ebenso mythologisch wie die Naturgesetze. Zufall ist aber ein perspektivisches Phänomen und gehört dem Subjekt an, welches im Arrangement eines zufälligen Ereig- nisses den Anteil seiner Produktion nicht erkennt. Das aufmerksame Betrachten der Formenvielfalt hat oft zu der verblüffenden Frage geführt, warum diese Formen entstehen, also was das Wesen eigentlich ist. Die Antwort ist einfach und paradox: Es ist Teil subjektiver Produktion und Einbruch von Nichtidentischem. - Damit verlagert sich die Frage- stellung auf das vom Subjekt ausgeschlossene, nicht oder noch nicht Integrierte. Es tritt etwas Unvorhergesehenes in den Horizont ein, entfaltet Aktivitäten und verschwindet wieder. Die Folgen greifen wie Werkzeuge in das Geschehen ein und verändern es. Der Vorrang des Nichtidentischen bedeutet einen Vorrang nicht identifizierbarer Veränderungen. Das Sichtbare und Identifizierte ist zufällig insofern, als es im Filter subjektiver Identifikation als Zufall erscheinen muss, denn der Zusammenhang zum vorrangig wahrgenommenen Produktionsprozess ist nicht eine einfache Einpassung, sondern erscheint als inkommensurabel, sperrig und unlogisch. Würde man das ganze Netz möglicher Produktion sehen, und wäre eine objektive Betrachtung der Welt möglich, so würden subjektive Tätigkeiten erkennbar. Die in den Zellen symbiotisch eingewachsenen Organellen haben ihre Selbstständigkeit verloren und arbeiten spezialisiert weiter. Die Elemente, angehäuft zu amorphen Gebilden, können in der menschlichen Produktion verwendet werden, behalten aber ihre eigene Welt und funktionieren weiter. Da alle diese Dinge als Strukturen von wiederkehrenden Bewegungen betrachtet werden können, ist der entscheidende Unterschied nicht der zwischen Lebendem und Nichtlebendem, sondern der zwischen vorwiegend aktiver und nicht aktiver Formbildung. Fast alle beobachtbaren Produktionen gehen ins Grossse. Das ist zu erwarten, wenn Bausteine einerseits unverändert bleiben und zugleich Formwandlungen stattfinden. Man baut mit Bausteinen Dinge, die wesentlich grösser sind als der einzelne Stein. Deshalb besteht der menschliche Organismus aus etwa 2 Billionen Zellen, und die einzelne Zelle aus einigen Billiarden Atomen. Je nach Perspektive erscheinen die Bereiche von etwa gleich grossen und aktiven Strukturen als lebendig, die Gebilde aus angehäuften kleineren Wesen, die selbst nicht zusammen agieren als passiv. Sie bilden eine Latenzebene. Die Motive des Erkennenden gehen in das Ergebnis der Arbeit ein. Das Subjekt sucht seine Aufgaben, reproduziert das Erkannte, und produziert die Ergebnisse mit. Ausnahmen davon sind jene interessenlosen Detailfragen, deren Folgen und Anwendungen ungewiss sind. Jedoch ist der Rahmen, in dem sie auftreten, vom Motiv des Subjekts bestimmt. Oft lassen sich diese Motive auf einige wenige Bedürfnisse zurückführen: Herrschlust, Verwertbarkeit, Freiheit usw. Die längst etablierte bürgerliche Gesellschaft pocht auf Notwendigkeit, weil ihr Freiheit gefährlich erscheint. Sie hat nach Adornos Bemerkung sich längst vom emanzipatorischen Streben ihrer frühen Epoche abgekoppelt, welches einmal ihr Programm gewesen war. Die Wandlungen, die mit den Freiheitsstrebungen einher gehen, sind auch auf anderen Ebenen zu sehen. Manche Virenstämme verändern sich rasant und haben Erfolg damit. Offenbar gibt es Zusammenhänge zwischen Freiheitsimpulsen und biologischen Erfolgen. Die Reduzierung der Formwandlungen auf zufällige Veränderungen verkennt die Bildung triebhafter Strebungen. Alle biologischen Gewohnheiten werden zum Bedürfnis, sofern sie nicht von anderen Kräften weggedrückt werden. Besonders die mit starken Belohnungen versehenen Bedürfnisse verankern sich tief. Dahin gehören unter anderem die Sexualtriebe und die Spieltriebe. Der Freiheitstrieb ist tief in den Organismen verankert, er hat die Evolution entscheidend geprägt. Er ist entsprechend alt. Möglicherweise findet man ihn in den tieferen anorganischen Ebenen ebenso. Die ständigen Formwandlungen sprechen dafür. Die Bildung von Steuerungszentren auf den verschiedensten Ebenen im Mikro- und Makrokosmos bringt entsprechende Motivationen ins Spiel, die sich unterschiedlich durchsetzen. So kommt es zu scheinbar paradoxen Trieben und Tätigkeiten. Drogensucht ist paradox. In ihr wirken divergierende Trieb- kräfte. Was gewöhnlich als Spieltrieb bei Kindern gesehen wird, ist neben anderem auch das Hervortreten verschiedenster Steuerungszentren, die teilweise noch in die Ahnengeschichte hinabragen. Sie sind jede in sich notwendig und logisch, aber im Zusammentreffen mit anderen ergeben sich teils unver- ständliche Ergebnisse. Der Machtwille Nietzsches trifft einen wesentlichen Aspekt des Lebenden. Er ist ein anderer Ausdruck für Produktion. Sie bedeutet Machtzuwachs, im physikalischen Bereich Zuwachs an Energie. Nach dem Energieerhaltungssatz ist der Zuwachs nur möglich durch Abnahme an anderer Stelle. Diese Konstruktion ist fragwürdig. Sie setzt ein identisches System voraus. Man kann aber die Produktion gar nicht auf eine singulare Endform reduzieren. Was bedeutet also Zuwachs im Einzelnen ? Die Schwierigkeit beginnt mit der Bewertung der Energie, die von einem Ereignis freigesetzt wird. Hirsche im Zweikampf prallen mit bestimmter Energie aufeinander. Die geistigen Fähigkeiten entscheiden ebenso wie die Muskelkraft. Eine listige Bewegung kann Kaft ersetzen. Aber in jeder Situation ist der Stellen- wert der Kräftearten zueinander anders. Einigermassen bestimmbar ist nur die messbare Energie in einem bestimmten Zeitabschnitt. Die Wirkungen latenter Energien sind nur bei wiederkehrenden Ereignissen einschätzbar. Vieles realisiert sich dann ohne erkennbare Zusammenhänge. Deshalb wird das Erkennbare meisst überschätzt. So geht es auch mit den Energien und den Interpretationen von Zusammenhängen. Das physikalische Weltbild ist exakt ein Produkt solcher Schwierigkeiten. Ein weiteres Problem ist die widersprüch- liche Auswirkung von Erkenntnis und Verwertungsinteresse. Dies gilt nicht nur im Groben, wie etwa das Verbot von Ent- wicklungen nicht kriegswichtiger Flugzeugprojekte im Nazi- deutschland, sondern besonders im Bewusstsein der Denker, die mit der spekulativen Phantasie Wege verfolgen, die als nicht verwertbar erscheinen und doch probiert werden müssen. Die Verwertbarkeit ist selbst schwer zu definieren. Eine Analyse kann unbrauchbar sein und doch in eine Richtung weisen, die später erfolgreich ist. Cyranos Mondreisephantasien waren zu seiner Zeit unverwertbar, und doch haben sie die Mondfahrten entscheidend im abendländischen Denken vorbereitet. Die Folgen der Mondfahrten selbst sind noch nicht abzusehen. Sie können Jahrhunderte menschlicher Entwicklungen beeinflussen. Die nichtexakten, nichtidentischen Gebilde und Strukturen werden beherrschbar durch das Bestreben identische Fälle zu schaffen und authentische Vorstellungen zu bekommen. Wahrheit und Konsequenz sind die aus solchem Bestreben gemachte Ideale. Ohne Identitätslogik und Mathematik wäre die wahre Beschaffenheit von Subjekt und Produktion der Objekte nicht bekannt. Auch der Begriff der Freiheit, Gegenspieler des logischen Determinimusses wäre nicht erkennbar. Interessant ist der Verlauf der Entwicklungen von Gemeinwesen in der aufkommenden Zivilisation. Er scheint, wie Spengler beschrieb, immer nach ähnlichen Mustern abzulaufen. Zunächst bringen die Errungenschaften von Nahrunsmittelverbesserungen einen Schub in der Vermehrung der Population. Dann tritt eine ruhigere Phase ein, die von einem neuerlichen Schub ab- gelöst wird, der meist durch weitere Verbesserungen in den Techniken der Versorgung und der Infrastrukturen ausgelöst wird. Gleichzeitig entwickeln sich im menschlichen Bewußtsein Modellwelten, die aber für klare Abbilder der Realität gehalten werden. Der Erfolg dieser Methode führt zu einer allmählich sich vertiefenden Anpassung an diese Modellwelten, die aufgrund ihrer Verflechtungen mit dem jeweiligen Stand der Zivilisationen nicht nur alte biologische Bedürfnisse zum Zuge kommen lassen, sondern auch die des hochentwickelten gesellschaftlichen Apparats. Diese Konglomerate von Bedürfnis- strukturen stecken voller disparater Komponenten, die jedoch in ihrer Tragweite nicht stets erkannt werden, bzw. was schwerer wiegt, denen man sich zugunsten des Erfolgs anpasst. Die junge Frau, die Karriere macht und irgendwann zu alt geworden ist, um Kinder zu bekommen steht dafür als Beispiel. Sowohl die Selbstdressur, die von der arbeitsteiligen Zivilisation abverlangt wird, als auch Phantasie und unge- stillte biologische Bedürfnisse begründen Freiheitsstrebungen ohne jedoch zielgerichtet aufzutreten. Man will frei sein, weiß aber nicht wovon und wozu, von Einzelfällen abgesehen. In der Regel wird in verbesserter Zivilisation Abhilfe gesehen. Es werden jedoch gerade mit diesem Streben nach Freiheit die Widersprüche verschärft. Steigener materieller Wohlstand geht einher mit sich vertiefendem Mangel an biologisch begründeten Triebkräften. Die aussterbenden Patrizier der römischen Kaiserzeit stehen in dieser Hinsicht an der gleichen Stelle wie die absterbenden Altbevölkerungen Europas in diesem Jahrhundert. Der blind wütende Wille, den Schopenhauer im Kosmos walten sieht, ist eine Annahme, die verständlich wird, wenn man an kosmische Intelligenz denkt. Eine solche Intelligenz wäre als Person eine Absurdität und als kernloses Wesen nicht als intelligent vorstellbar. Da also ein einheitlicher Wille nicht möglich ist, muss der denkbare Wille als blind, kernlos gedacht werden. Alle diese Interpretationen müssen aber nicht zutreffend sein. Da den Vorstellungen kosmischer Wesenheiten jeder praktische, also produktiv verwertbare Bezug fehlt, ist ein brauchbares, definierbares Ergebnis nicht möglich. Der Abbruch zum praktischen Bezug ist eine Grenzfunktion. Die Produktion ist die Grenze zwischen Subjekt und Nicht- identischem. Sie verläuft nicht innerhalb der Vorstellungen sondern zwischen Produktion und Nichtidentischem. Auch ge- dachte Gebilde, jedes Vorgestellte hat den praktischen Bezug, entweder als Erweiterung oder leere Wiederholung. Auch die leere Vorstellung ist innersubjektive Produktion. Ihr ent- weicht man nicht. Das singuläre Etwas eines wie auch immer gearteten Willens, Bewußtseins usw. ist Identifikation, menschliche Produktion diesseits der Grenze. Man denkt sie zu überschreiten und bleibt doch innen. Der Körper des Einzelwesens und des menschlichen Subjekts trägt die Vorstellungen seiner Welt innen. Aber diese Trennung einer Welt innen und einer Realität aussen erscheint einfacher als sie es ist. Denn was mit den Objekten auftritt, ihre Auflösung in nichtidentische Vermittlungen, gilt auch für die Innenwelt des Subjekts. Damit wird die Aufteilung in Innen und Aussen ebenso an das Paradoxon gebunden, wie alle objektivierten Strukturen. Das heisst, die Enge des Subjekts in einer nur in sich selbst realisierbaren Welt ist so eng nicht. Das Subjekt ist so unbestimmbar wie das Objekt. Es ist nur als Teil einer Bewegungsstruktur, deren Dimensionen unerkannt sind. Die Kritik am Kohärenzprinzip, verwandt der Kritik an der Singularität, bringt das zum Subjekt und Objekt Gesagte in eine instabile Konstruktion. Man sieht hier den Vorrang des Nichtidentischen. Das Subjekt ist freier als es sich sieht. Freiheit zeigt sich im Verhalten als Offenheit und Breit- flächigkeit. Solch Verhalten ist kraftzehrend und gefährlich. Daher neigen eng angelegte Individuen zur Überbetonung ab- geschlossener Systeme. Jeder freie Schritt verlangt nach einer Integration in bestehende soziale Verknüpfungen. Freies Verhalten entsteht aus vielen Schritten eines doppelten Lernens.Jeder Schritt besteht aus dem freien Akt, und dann der Integration der Folgen in die Person. Der sexuelle Rausch ist ein ästhetisches Phänomen, das wie kaum ein anderes die Person aufwühlt und beides im Höchstmass verlangt: Erlernen der artifiziellen Wege zum Orgasmus und die Rückkehr in geringer energiereiche Zustände mit Integration des aufgeputschten Körpers. Ästhetik ist Symbol des Lebenden, erweitert auch des kosmisch Bewegten. Nietzsches Bemerkung, die Welt sei nur als ästhetisches Phänomen gerechtfertigt, trifft Ähnliches. Artifizielles Verhalten dürfte so alt wie das Universum sein. Bei den Organismen sind frühe ästhetische Höhepunkte denkbar und noch nachvollziehbar. Die ersten Versuche der pflanzen- fressenden Urtiere auch Tiere zu verzehren, könnten solche Ereignisse gewesen sein. Vielleicht gab es bei den frühen Begegnungen mit dem eingefangenen Feuer Ähnliches. Die Raum- fahrt mit ihren an Gedichte erinnernden Startprozeduren, wo architektonische Gebilde sich wie Vögel in den Himmel erheben gehören bestimmt dazu. Der Vorrang ästhetischer Triebe ist auf allen Ebenen der Wesen sichtbar. Regeln werden überwiegend eingehalten und dann durchbrochen. Wiederholungen werden, wenn möglich vermieden und nur insoweit angestrebt, als sie zum Erhalt der Strukturen erforderlich sind. Die bürgerliche Familie wird ständig von Ausbruchsversuchen gestört oder zerrüttet. Freiheit geht einher mit der Gegenbewegung in Unfreiheit. Eines ergänzt das Andere. Die Langeweile, die den bürger- lichen Dominus in die Spielhalle, ins Bordell, in den Alkohol oder Stumpfsinn treibt, und die Frau zum Putzteufel, Hysterikerin oder Fetthenne macht, zeigt deutlich das Unbehagen an der Regelmässigkeit. Der ästhetische Impuls ist die sublime Antwort auf diese Konflikte. Wo er auftritt ist bereits das Risiko des Stumpfsinns gesunken. Ästhetische Höhepunkte sind so notwendig wie das Atmen. Während der angekrankte Sexualtrieb die Linie zum Erlöschen bringt, so die Unfähigkeit zur Ästhetik das Individuum. Die Schönheit der Erscheinungen ist der Glanz der Befriedigung, den alles ausströmt. Er ist verwandt dem Orgasmus. Die Frage nach dem Anfang der Welt ist zugleich die nach dem Werden. Zwei Wege bieten sich an: Die Welt hatte seit unausdenkbaren Zeiten alle Eigenschaften und Möglichkeiten, die sie heute zeigt. Es gibt nichts Neues sondern Kombinationen von einzelnen Teilen zu neuen Gebilden, die selbst nichts grundsötzluch Neues sind. Zweitens: Die Welt entsteht aus Wenigem und erwirbt Unbekanntes und Neues hinzu. Sie wird grösser und mächtiger. Sie hatte einen einfachen Anfang. In verschiedensten Kombinationen einzelner Aspekte dieser beiden Anschauungen treten weitere andere auf. Die Fragen, die sie aufwerfen sind in jedem Weltbild ähnlich. Das Nichtidentische führt einige Antworten zum Paradoxon. Es kann nicht ein einmal in Gang gebrachter Mechanismus die Weltentwicklung beschreiben. Ein solches Modell verlangt identische Grössen und Wiederholungen, die nicht möglich sind. Eine Beschreibung der Welt, wenn eine gültige möglich wäre, würde alle Kategorien, Begriffe und Strukturen beinhalten, die jemals produziert werden könnten. Die Welt wäre an- wachsend und schrumpfend, belebt und starr usw. Am Ende wäre ein Bündel von paradoxen Strukturmodellen übrig, die etwas Menschliches, Allzumenschliches verraten, und wenig mehr. Das Dilemma ist ein doppeltes. Der kohärente Zusammenhang aller bewussten Erfahrungen, gestiftet durch die Person, kann keine gültige Singularität stiften, da jeder zentrale Satz alle anderen möglichen ausschliesst. Jedoch sind alle zusammengenommen auch nur Subjekt, welches in seinen Grenzen, und nur als Begrenztes sich konstituiert. Zweitens ist der Ausschluss nichtidentischer Bereiche unübersehbar. Die meisten Morgenröten sind noch nicht erschienen, wie Nietzsche an den Indern angelehnt, es gesagt hat. Bewegung, das einzig Gewisse, ist ein anderer Ausdruck für den Strom, in dem man produziert und nur etwas erfährt, weil man die Totale nicht erfährt. Das Subjekt ist ein Paradoxon. Es vermag in der objektiven Welt ebenso zu leben wie in der subjektiven Perspektive, in der es alles ist. Dem invertierten fotografischen Bild ähnlich, kann es umkippen, sodass aus weiss schwarz wird und aus schwarz weiss. Die Zuordnung identischer Bezüge zum Subjekt und den von ihm erfahrenen Objekten ist die erfolg- reichste Lebenstechnik, mit der Einschränkung, dass sie voller Fallen ist und dem Gewinn entsprechende Verluste hinterlässt. Das Subjekt ist selbst nichtidentisch und vermag deshalb mehr zu sein als identisches Objekt. Die Überraschung des Werdens, sowohl im Wachstum wie im Höhepunkt kommt daher. Die Betonung der Verneinung des Willens bei Schopenhauer beruht auf einem Instinkt für die eigenartige Besonderheit des Bewusstseins, einen Trieb ins Gegenteil umzukippen. Diese Fähigkeit ist der Schlüssel zur absoluten Stellung des Subjekts in seiner Welt. Es ist die Methode der Verwendung fremder Kräfte für eigene Zwecke. Schopenhauer zeichnet nach, was in der weltbeherrschenden Technik handfest geschieht. Aber er reklamiert die Verneinung für eine Depression, während unter Bedingungen eines freien Geistes das vorüber- gehnde Nein das Ja verstärkt. Jedes Kunstwerk und jeder sexuelle Höhepunkt hat etwa davon. Man kann jede Methode zur Stärkung oder Dämpfung einsetzen. Der philosoohische Pessimsmus ist eine Spielart der Triebe oder Laune des schweifenden Geistes. Der Buddhismus, von Nietzsche als verruchte Befriedigung gesehen, hat etwas absolut Destruktives und ist darin den anderen Religionen verwandt. Schopenhauwr hat die soziale Technik des Buddhismus übernommen und ihm einen rigiden Überzug verpasst. Was aber geschieht, wenn das Leben bejaht wird, wenn man ins Feuer der Triebe Öl statt Wasser giesst ? Man verschärft den Kampf und stellt sich gegen die historische Tendenz, die den Menschen zähmt, indem sie ihn zivilisiert. Die Frage ist fällig, ob nicht beides möglich ist: Feuer und Wasser. Es ist dies alles vermutlich eine Frage der Stärke... Die Ursachen der Ermüdungen in den späten Zivilisationen sind nicht leicht zu definieren. Zunächst sind es Bequemlichkeiten und Triebschwächen. Spengler erwähnt die Wachheit des Bewusst- seins als eine zentrale Ursache. Aus grossem Abstand be- trachtet ist das Bewusstsein offenbar von einer Geistes- krankheit befallen, die sich dem Höhepunkt genähert hat. Insofern sind die zunächst entstehenden Verhaltens- irritationen die Ursache der Kopferkrankungen, die aber selbst dann zu Hauptursachen werden. Die Demontage der Vater- rolle, die Sexualirritationen im Christentum, usw. sind Ursachen einer Bewusstseinsverfassung, die zur Hauptursache wird, indem sie längst nach Zerfall der religiös-schwärmenden Epochen ihre Wirkungen entfaltet durch die Gestaltung einer aus dem Lot geratenen Gesellschaft. Nietzsches Bemerkung über den Menschen als das relativ krankeste Tier, bezeichnet das. Allerdings sind es nicht die Abkehr von blumenreichen, idyllischen Weltbildern und der Mangel an Naturbelasseheit sondern die Verdrehung und Verstümmelung der Trieb- und Geisteskräfte, die das geistige Defizit bestimmen. Die Abkehr von artifizieller, kämpferischer Lebensführung und vom Sinn für die Reproduktion der Generationen wird nicht bekämpft und nicht ausreichend bemerkt. Die dahinter liegende Denkschwäche ist ebenso unheilstiftend wie die Erlahmung der Triebkräfte. Bedeutend ist jedoch die geistige Umnachtung, denn Schwäche könnte durch Trainung überwunden werden, während Beschränkt- heit ins Aussichtslose führt. In der weiteren Analyse irrt Spengler. Es ist kein dem Wachstum von Pflanzen vergleich- barer Welkungsvorgang der Kulturen, sondern eine besondere krankhafte Auswegslosigkeit, die den Untergang der Hoch- zivilisationen herbeiführt. Biologische Ursachen kommmen primär nicht in Betracht, weil die Niedergangserscheinungen viel zu schnell ablaufen. Sekundär treten biologische Folgen auf, so wie Vergiftungen zu schnell wirkenden Schäden führen können. Begriffe sind nicht die wahren Elemente eines Weltgeistes, wie Hegel es entwickelte, sondern statistischen Größen ähnlich, deren Zutreffen nach Wahrscheinlichkeiten gerechnet werden. Sie stellen Teile von produktiven Geflechten dar und sind verwandt den Symbolen und Werkzeugen. Sie sind nicht Bild, Abbild, Begriffenes oder Wahres, schon gar nicht, wie Platos Ideen, eine höhere Wirklichkeit. Wo sie mehr sind als Spiel, sind sie Produktionen von simultanen Strömen, die gleich Strahlen von der Quelle her auseinanderdriften. Die Unmöglichkeit gültiger Abbilder lässt simultane Produktionen auch nur in einer bestimmten Bahn zu: das Eintreffen erwarteter Ergebisse, eines Dritten, welches verwertet werden kann. So steht am Ende des Prozesses der Auseinandersetzung mit dem Baum der produzierte Tisch, und erst danach schafft der wissenschaftliche Geist Modelle, die Vermittlungen er- möglichen, die über den Tisch hinaus gehen. ---------------