272 Fred Keil Erkenntnistheorie 5 Nr.272 Aachen 2005 Wieso sind überhaupt ein stabiles Ding, eine gezielte Handlung, ein erreichtes Ziel möglich ? das ist die ungelöste Frage. Denn alles Beständige ist dem Wasser gleich, welches zerrinnt, wenn man es mit den Händen greift. Die Bündelung der Energien im Subjekt können die Stabiltät der Objekte nicht vollständig begründen. Der Idealismus scheitert genau an diesem Punkt. Aber die Welt objektiver Regeln erklärt diese nicht besser, sie ist nur effektiver für menschliche Anwendung, also für das Subjekt. Sie wird also wieder zum subjektiven Bestandteil, was objektiv erscheint wird subjektiv verwertet. Anders ist es, wenn von vielen Subjekten ausgegangen wird. Das Objekt begründet seine relative Dauer dann aus sich selbst als Subjekt, ebenso wie der Mensch. Aus dem Blickwinkel einzelner herausgelöster Dinge er- scheinen diese wieder so komplex wie das Ganze. Leibnitz kommt daher im Kleinsten zu den Monaden, die das ganze Universum in sich tragen. Abgesehen von den Grenz- funktionen, die dieses Bild notwendig erscheinen lassen, weist der Rückschlag vom Einzelnen zur Totale darauf hin, dass eine Welterklärung vom Grossen her erfolgen muss. Dafür gibt es reale Hinweise: Die Einzeller schliessen sich zu Vielzellern zusammen und bewältigen so die niedere ältere Existenzebene. Die Auflösung der Welt in einer Zeitstrecke und Grössen- ordnung erklärt die Entwicklungen von unten nach oben und vom Vergangenen zum Jetzt. Abgesehen von der Notwendigkeit dieses Verfahrens kann das hierauf basierende Bild der Totale falsch sein. Ich schlage deshalb als Ansatz vor, die Bewegung als Vermittlung oder anders: als sozialer Bezug zwischen Subjekten zu verstehen und diesen Bezug als das Fundament anzusehen. Wir haben damit als Basis nicht Objekte, Subjekte, Dinge oder Strukturen sondern Wandlungen zwischen unbestimmten Zentren. Wir schliessen von diesen Wandlungen auf Dinge. Ferner ist nicht das Zerlegte sondern das Komplexe der Ausgangspunkt. Der grösste soziale Bezug, die komplexeste Vermittlung steht sozusagen am hypothetischen Anfang. Die Theologie ging in diese Richtung aber als Kurzschluss zwischen Besonderem und Allgemeinem. Von diesem letztlich nicht auf Fixpunkte zurückführbaren Urgeflecht führt kein Weg zu einer einfachen Totale sondern ins Offene. 272/2 Der Idealismus weist darauf hin, dass ohne die Bündelung des Subjekts nicht einmal ein Etwas denkbar ist. Wahr daran bleibt, dass die Auflösung subjektiver Kategorien die Bestimmbarkeit aus der Wirklichkeit abzieht. Der subjektive Charakter der Zeitstrecke, wie ihn Kant analysiert, ist nicht durch physikalische Parameter widerlegbar. Immer ist es ein Subjekt in seinem Raum, welches Zeit konstruiert. Auch die theoretische Physik geht vom Subjekt aus. Der Punkt und das a gleich a sind Subjekt, von welchem die Operationen ausgehen. Descartes hat mit dem denkenden Bewusstsein den einzigen einigermassen gewissen Ort des Subjekts und der Welt- erfahrung ausgemacht. Aber die Auflösung objektiver Kategorien hört damit nicht auf. Der Augenblick des Ichs ist der dimensionlose Punkt aus dem sich strahlenförmig die Objektivität ausbreitet um an der Grenze wieder zu verlöschen. Wirklichkeit gewinnen dabei nur die Bewegungen, das sind die Vermittlungen zwischen den Objekten und dem Subjekt. Schopenhauer hat die Undurchdringlichkeit, die Nicht- erkennbarkeit des Subjekts betont. Es wird damit nicht zu einer letzten stabilen Grösse. Wie alles Bewegte ist es sich selbst nur erfahrbar als vermitteltes. Die Unterscheidung in Subjekt und Objekt wird hier sichtbar als Instrument der Selbsterhaltung. Die universale Strahlung ins Unbestimmte kann die Existenz einer Welt der Dinge nicht begründen sondern verneint sie sogar. Die auseinander treibenden Dinge könnten durch eine grosse, über alle Strahlen hinaus gehende Auffangbewegung in Bezug gebracht werden, etwa so, wie man auseinanderrollende Kugeln mit einer schnellen Hand einfangen kann. Wenn man das Verfahren der Organismen sieht, fallen Ähnlichkeiten zu diesem Bild auf. Die Zellen bauen ein gemeinsames übergeordnete Aggregat auf und eine von diesem Aggregat ausgehende einigermassen zentrale Steuerung. Obwohl die einzelne Zelle kein Bewusstsein des Gesammtorganismusses hat, sind doch die elementaren Strukturen in ihr gespeichert. Wie weit dieses ins Detail geht ist meines Wissens noch kaum bekannt. Ähnliche Strukturen vermute ich im Mikrokosmos der Elementarteilchen. Möglicherweise sind auch im Makrokosmos solche Strukturen zu finden. Da die übergeordnete grössere Struktur in den kleineren Bausteinen in wichtigen Teilen gespeichert ist, würde die makrokosmische Struktur ebenfalls in den kleineren gespeichert sein. Hier wäre man prinzipiell wieder bei den Monaden angelangt, allerdings wären sie als unaufteilbare kleinste Grössen nicht zwingend zu konzipieren. Die Unauflöslichkeit sieht nach einer Nichtsschwelle aus. Die Nichtsschwelle ist wörtlich und universal zu verstehen. Es ist keine klare Grenze zu erfahren, keine Aussage, ob sie temporär, endlich oder unendlich ist. Jede auch nur negative Bestimmbarkeit liegt vor der Nichtsschwelle, gehört noch dem Subjekt und dem Identischen an. Die Enge der Religionen rührt her von ihrem "als ob". Ihre Aussagen sind immer so, 272/3 als ob sie hinter Begrenzungen schauen könnten. Sie beschwören Unendliches und Alles und führen zu Beschränktem zurück. Aber das Einordnen unbekannter Dinge in Bekanntes ist mehr als Verblendung. Wesentlich ist an dieser methodischen Selbsttäuschung die Bändigung der Fluchttriebe. Erst diese ermöglicht den gefährlichen Schritt ins Unbestimmte, den Grundmechanismus menschlicher Expansion. Die Entwicklung ins Grosse, eine schwierige Dimension, könnte jene Auffangbewegung sein, mit der die Bewegungen in Strukturen zusammengefasst werden. Die Vielzeller würden demnach die Struktur ihrer Einzelzellen erhalten durch den Aufbau ihrer vielzelligen Struktur. Struktur ist Wiederholung von Bewegungen, sofern sie nichts Festes sein kann, wovon ich ausgehe. Diese Bewegung ist kein Kreis sondern bildlich eine Spirale. Auch dies passt zum Aufbau grösserer Gebilde. Es gibt daher eine allseitige, alle Dimensionen und Teile erfassende Ausdehnung und Ausbreitung ins Grosse. Der problematische Begriff der Grösse könnte ebenfalls allseitig zutreffend sein. Zunächst vergrössern sich die Abstände der Teile voneinander. Diese Ausdehnung verlangt eine dynamische Wechselwirkung, also eine Zunahme der Energie. Die Zellteilung der Organismen ist ein Mechanismus der Wiederholung, der die Auflösung der Strukturen durch Überdehnung verhindert und zugleich Ausbreitung verschafft. Wenn der Erhaltungssatz der Energie zutreffen würde, müsste der Energiezunahme der sich aus- dehnenden Strukturen eine Energieabnahme gegenüberstehen. Wo also wird Energie abgezogen ? Ob aber im Universum von einem geschlossenen System gesprochen werden kann, ist fraglich. Die Tautologie: Das Universum dehnt sich aus, weil die Teile sich ausdehnen, und die Teile dehnen sich aus, weil alles sich ausdehnt, ist nur vermeidbar durch den Begriff der Struktur. Die Struktur ist der individuale, ordnende, ver- festigende Faktor. Er kann doppelt begründet werden. Einmal durch die Vermittlung. Ohne Struktur keine Vermittlung. Zum Zweiten durch die Nichtsschwelle. Sie lässt immer etwas erscheinen, welches endlich, daher fest ist. Die Nichts- schwelle, identisch mit der Grenze, ist konstitutiv. Ohne Grenze keine Dinge, keine Welt. Die mikrokosmische Welt kann vorgestellt werden als eine Welt vieler gleichartiger Teilchen, Protonen, Elektronen, Elemente usw oder aber als Ansammlung von individuell unter- schiedlichen Bauteilen, etwa so wie Leibnitzens Monaden. Die erste, die moderne Auffassung ist erfolgreich, möglicher- weise aber falsch. Die philosophische Analyse wird schwieriger, wenn von gleichen Teilen ausgegangen wird. Die Leistung etwa der Verdauung, viele nur ähnliche Teile als gleichartig aufzunehmen, wird erklärbar durch die Grössen- dimension. "In der Nacht sind alle Katzen grau", "aus 272/4 grosser Entfernung sind alle Sonnen Sternenpunkte im All". Die Gleichheit der Teile ist dagegen unhaltbar. Nirgends gibt es eine Spur exakter Prozesse. Die Messgeräte sind mitlerweile genauer als ihre natürlichen Messobjekte. Die Existenz von Naturgesetzen ist fraglich, da bei strikter Anlegung ihrer Parameter kein wirklicher Vorgang ihnen exakt folgt. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung ist das Eingeständnis der Unmöglichkeit des Derterminismusses. Korrekturbewegungen, die das Ähnliche verwertbar machen sind überall zu vermuten. Wie sie bei Organismen funktionieren ist vorstellbar, wie aber bei Elemtarteilchen und subatomaren Bauteilen ? Ein Raum unvorstellbarer Dichte und Homogenität mit einem ebenso unausdenkbaren Druck, würde jeder Bewegung und Raumbildung niederer Dichte Widerstände entgegen setzen. Räume niederer Dichte würden sofort wieder aufgefüllt, Bewegungen sofort erstickt, es sei denn, eine entsprechend hohe Energie würde sich gegen diese Dichte durchsetzen. Dieses Bild könnte einige Phänomene verdeutlichen. Der Organismus muss sich beständig durch Bewegung, Energie, Produktion, Formbildung gegen sein Verlöschen durchsetzen. Das Bild der ewig im leeren, "passiven" Raum kreisenden Körper ist falsch. Nirgendwo trifft es zu . Allein der Zeit und Grössenrahmen, in welchem sich der Abbau kinetischer Energie ereignet, lässt den Eindruck von stabilen Strukturen entstehen. Dem oben gezeichneten Modell folgend würde dieser dichte Raum expandieren, mit ihm auch die Strukturen, die sich ihm entgegen stemmen. Im Falle unbelebter Materie würden dieser Raum und seine ihm entgegen arbeitenden Strukturen sich mit der Ausdehnung wandeln und anderen Parametern folgen, also ihre Form und Wesensart verlieren. Ein Universum dieser Art wäre verloren. Anders, wenn die Produktionen als Lebensprozesse gesehen werden, die sich reproduzieren können. Diese würden den durch Ausdehnung drohenden Formverlust in den neuen Exemplaren produktiv einschmelzen und teils erhalten. Der Trugschluss stabiler Gebilde rührt aus ihrer relativ zum menschlichen Einzelleben herrührenden langen Dauer. Aber jede dieser Strukturen, Körper usw. erodiert sozusagen in seinem Raum. Daher ist dss Bild eines Universums hoher Dichte näher an den beobachteten Prozessen als das Bild eines leeren Raums. Also müsste der Nachweis erbracht werden, dass die Bildung von atomaren Elementen und ihrer Bausteine nicht nur eine Bildung von Zentren hoher Energie darstellt, sondern umgekehrt, dass die sie umgebenden Räume eine höhere Dichte, Energie besitzen, aber eine von noch unbekannter Art. Die Stromtheorie bindet die Gültigkeit des Dritten an die Wiederholbarkeit von Produktionsschritten, weil jegliche Entsprechung und Identität zwischen Subjekt und Objekt nicht möglich ist. 272/5 Wo sind aber diese wiederholbaren Schritte im Bereich kosmologischer Modelle zu finden ? In der Raumfahrt sind solche Wiederholungen erfolgreich, aber wenn es um Zyklen von Universen geht und um Zeiträume. die jegliche Erfahrbarkeit überschreiten, müssen diese Verwertbarkeiten auf anderen Ebenen liegen. Eine davon ist mit dem Begriff der Freiheit verknüpft. Ihre Idee verlangt Grenzen, die sich prinzipiell unbegrenzt erweitern lassen. In der Ausbreitung von elektromagnetischen Wellen kann ein Modell gesehen werden für diese Unbegrenztheit. Grenze ist hier ein in sich offener Begriff, der durch seine Nicht- bestimmbarkeit bis nahe an sein Gegenteil gelangt. Die Strahlenkugel des Universums, die offensichtlich der sich kugelförmig ausbreitenden Materie voreilt, ist nicht als begrenzt im Sinne einer definierbaren Grenze zu begreifen. Sie dehnt sich mit Lichtgeschwindigkeit aus. Der durch sie definerte Raum ist selbst unbegrenzt, sofern im Begriff der Grenze eine dauerhafte Begrenzung gedacht wird. Die Methoden der wissenschaftlichen Analysen kopieren den universalen Prozess, sie zergliedern, blenden aus und separieren. Das Teil wird möglichst weit isoliert und mit anderen kombinert. Bewegungen, die zu wiederholbaren Strukturen, also zu Wesen führen, vollziehen ähnliches. Weil aber der Kreis nie Kreis sondern Spirale und wachsender Kreisumfang ist, findet die Wiederholung mit einer und als eine sich vergrössernde Struktur statt. Gälte dies in gleichen Proportionen für alle Wesen, könnte von einer Erhaltung der Strukturen gesprochen werden. Warum sollten die Proportionen gleich bleiben,- das ist doch un- wahrscheinlich. Also verändern sie sich und mit ihnen die Wesen. Dies könnte der innere Motor jeglichen Formwandels sein. Die Anfangslosigkeit der kosmischen Prozesse ist ebenso naheliegend wie das Fehlen eines bevorzugten Ortes. Dies wirft die Frage auf, woher eine scheinbar unumkehrbare Zeitstrecke kommt, wieso es also keine rückwärts laufende Zeit gibt. Zeit ergibt sich aus der Vermittlung. Ihre Richtung ist ein Scheineffekt, der durch die Kohärenz der kosmischen Produktion entsteht. Die Produktion besteht aus Separierung sowohl der Bewegungen als auch der Räume. Eine aus grossem Abstand gewonnene Perspektive würde eine Gleichzeitigkeit zeigen, die aus völlig untereinander gleichwertigen Produktionschritten besteht. Erst mit der subjektiven Abgrenzung entstehen Zeitstrecken und Räume. Die schon oft diskutierte Frage, ob ohne Menschen auch Zeitfolgen möglich sind, muss bejaht werden. Aber nicht wegen der Existenz objektiver, von Menschen unabhängiger Bewegungen, sondern aufgrund der Existenz subjektiver Produktionen, die überall sind. Während die Auffassung einer objektiven Welt die Menschen als Objekte 272/6 unter Objekten darstellt, ist das Umgekehrte zu sehen. Objekte sind Subjekte, die sich selbst produzieren und Vermittlungen leisten. Daher wird ein von Menschen entleerter Kosmos ebenso Zeit hervorbringen wie das subjektive menschliche Produzieren. Es ist aber hier nicht nur ein Namenswechsel vollzogen, sodass Objekte in Subjekte umgewandelt werden sondern ein Strukturwandel, der die Herkunft der Regelmässigkeit von innen heraus verständlich macht und keine Naturgesetze benötigt. Die Grenzfunktionen zeigen die Welt der Subjekte als Wider spiegelungen des Subjekts. Eine Schlussfolgerung daraus ist, dass Objekte nicht erkennbar sind. Wenn aber Objekte selbst Subjekte sind, so ist in ihnen das Identische erkennbar. Genau so verhält es sich auch: Widerspiegelung des Subjekts und die Erfahrng von Gleichartgigkeit mit Objekten, die selbst Subjekte sind, fallen zusammen. Der Wandel der Objekte ist deshalb nicht durch Zufälle bestimmt sondern durch Vermittlung zwischen Subjekten. Deshalb erscheinen viele Prozesse intelligent. Wenn hingegen die Objekte als tote Materie verstanden werden, muss das Auftreten intelligenter Strukturen zu Gottes- vorstellungen mystifiziert werden. Die positiven Wissen- schaften liefern Zufallsinterpretationen und Gottesvor- stellungen zusammen. Das eine borgt vom Andern und umgekehrt. Der alte Fritz hat in seinen Reflexionen gesagt, dass der Kosmos intelligent sein müsste, da er nicht dumm gedacht werden kann. Er hat das Problem gespürt, welches in diesem notwendigen Begriffspaar:"tote Materie" und "Gotteswelt" liegt. Das Moment der Überraschung ist der gefährlichste Aspekt einer Welt, die in allen Ebenen aus Lebewesen aufgebaut ist. Während das positivistische Weltbild mit an sich wenig beunruhigenden Naturgesetzen verstanden wird, die sich höchstens im nächsten Zyklus eines neuen Universums ändern, könnten in einer belebten Welt Katastrophen bislang unbekannter Art geschehen. Wenn bestimmte Arten von Lebe- wesen im Mikrokosmos andere verdrängen würden, zerfielen vielleicht die molekularen Strukturen, wie wir sie benötigen. Der Gegensatz zwischen der Naturauffassung Leibnitzens und Newtons beruht auf einem Missverständnis. Man hat belebte Ebene und Latenzebene nicht unterscheiden können, weil die Kenntnisse nicht ausreichten. Eine Tasse ist nicht lebendig, es sei man glaubt an Geister. Aber die Elemente, aus denen sie gemacht ist, könnten Lebewesen sein. Oder noch tiefer: Die Quarks könnten Lebewesen sein. Die Tasse gehört der Latenzebene an, eine Welt unbelebter Dinge, die selbst aus kleinen Lebewesen zusammengesetzt ist. Die Elemente würden also Lebensparameter zeigen, aber in anderer Art und Weise wie Pflanzen oder Fische. Die Vermehrung von Quarks ist kaum als Geburt aus Eiern oder als Zellteilung vorstellbar. Aber sie entstehen, vergehen und entstehen wieder, sind also der Reproduktion fähig. 272/7 Nietzsche hat das Universum als aus sich selbst gebärend und wiederkehrend beschrieben. Aber es ist nicht nur zwingend so zu denken, weil Lebensparameter zu beobachten sind und weil nach Nietzsches Zeitspekulation die Zeit unendlich gedacht werden muss, sondern weil die Grenzfunktionen eine anders- artige Produktion nicht zulassen. Wohl gibt es Separierungen und die Latenzebene. Die Objekte der Latenz- ebene sind absterbenden Organismen gleich, sie vergehen ohne Gegenwehr. Die Latenzebene hat einen doppelten Ursprung, einer im Subjekt und seinen Grenzfunktionen, der andere im Strom, der zu einer ständigen Ausdehnung führt und durch Vermittlungen sich formbildend verhält. Die Strahlenkugel subjektiver Vermittlung bringt beständig sich und die Welt in einem Dritten hervor, scheidet Nicht- identisches aus und würde, kaum, dass es anhebt wieder verlöschen. Die Fähigkeit der Ausdehnung und Bündelung im sogenannten Strom, erlaubt eine Wiederholung auf etwas grösserer Ebene und damit Dauer. Zugleich wird das Leben, welches in anderer Weise sich dehnt zum Material und zu scheinbar leblosen Objekten. Für den Menschen ist eine Düne ein Haufen toter Sand. Für die Atome ist es kein Unter- schied ob sie in organischen Molekülen oder im Sand sind. Sie leben in allem. Daher ist die Latenzebene einerseits ein perspektivischer Effekt, andererseits ein Abbruch der Vermittlung. Es leben in dieser Ebene nur bestimmte Objekte, andere leben nur in der nächstkleineren. Die 4. Grenzfunktion zeigt die unvermeidliche Aufspaltung in Gegensatzpaare, so auch in der Spaltung lebendige Subjekte und nichtlebendige Objekte, aus denen die Begriffe Latenz- ebene und Vermittlung entwickelt wurden. Es ist dies ein notwendiger Effekt, der zugleich erzeugt, als auch als Zugrundeliegendes erfahren, wird. Die Äquivalenz von Energie und Masse setzt einen qualtätslosen Zustand voraus, der, wenn nicht erreicht so doch prinzipiell als möglich gedacht wird. Es ist der letzte Traum vollständiger Identität, die nicht möglich ist. Es steckt in jenem Modell ein mechanistischer Gedanke, der fast allen positivistischen Weltmodellen inhärent ist. Der dem Nichtidentischen aufgeschlossene Produktionsgedanke geht aus von einer prinzipiellen Nichtidentität, die nicht einem einfachen mechanischen Ablauf entspricht. Kohärenz, die zweite Seite der gleichen Identitätslogik, ist ebenfalls nicht möglich. Nichtidentisches ist weder kohärent, noch reine Quantität. Deshalb müssen alle Aussagen zu Zeit, Raum, Materie und Energie falsch sein. Identität entsteht mit dem Anfangspunkt und der reinen Quantität. Sie sind Ausdruck der Nichtsschwelle, die selbst Grenzfunktion ist. Weder gibt es einen Anfang noch gibt es keinen Anfang. Ein Ende wäre nur möglich mit dem Ende der Produktion. Ein Anfang wäre nur möglich mit einem Noch nicht sein der Produktion. Beides ist nicht möglich, aber als Aus- druck der Grenze notwendige Vorstellung. 272/8 Produktion ist vergleichbar dem dialektischen Dreiecksprozess:These, Antithese, Synthese. Sie benötigt einen Produzenten, also ein Subjekt, einen Antipoden, also ein Objekt und das Produkt. Während aber der Positivismus ebenso wie vor ihm der Idealismus ein handelndes Subjekt konstruiert, welches Herr der Lage bleibt, ist der Produktionsprozess, wie er im vollen Leben sich vollzieht, durchsetzt von Nichtidentischem, in welchem bereits das Subjekt nicht ist was es ist. Nur das Produkt erscheint für einen unwägbaren Augenblick identisch. Es gibt den Mittelpunkt der Betrachtung ab, in welchem im Nachhinein ein Subjekt als Urheber der Produktion erscheint. Rilke hat das dunkel geahnt, als er in seinen Elegien sagte: "Was draußen ist, wir wissens aus des Tiers Antlitz allein; denn schon das frühe Kind wenden wir um und zwingens, daß es rückwärts Gestaltung sehe, nicht das Offene, das im Tier- gesicht so tief ist. Frei von Tod." Der Ausleseprozess, den die natürliche Umwelt an den Arten vollzieht, wird in seinen gestalterischen Möglichkeiten überschätzt. Lediglich sehr lebensuntüchtige Arten und Einzelwesen werden aussortiert und gehen zugrunde. Die Formenvielfalt der Arten und Einzelwesen zeigt das Bild einer unabschätzbaren gestalterischen Vielfalt, die begreif- bar wird, wenn sie als Lebenslust und Überschuss betrachtet wird. Überall sind subjektive Zentren am Werk, die auf allen nur denkbaren Ebenen sich herausheben. Der Mutationsgedanke enthält das Moment der Überraschung, die wesentlich im Universum ist. Er wird aber meist zu einseitig aufgefasst. Der Zufall, der den Mutationen vorausgehen soll, ist ein Faktor, der meist Unfälle hervorbringt, selten schöpferische Resultate. Wohl aber kommen unerkannte Zentren, Subjekte hervor, die ihre gestalterischen Energien bis zu allen Grenzen ausleben, oft gehen sie darüber hinaus. Mutation könnte ein kreativer Akt der Gene und Elementarteilchen sein. Der Tod durch Drogen und Übermut ist nicht nur bei Menschen zu finden. Verwirrend ist, dass die verschiedenen Ebenen selten koordiniert agieren. Die ererbten Strukturen verfolgen andere Ziele als das Wachbewusstsein, und die molekularen und elementaren wieder andere. Die nach Zufällen aussehenden Konflikte der verschiedenen Zentren der verschiedenen Ebenen können auch andere Ursachen haben. Verdeckte Vermittlungen sind überall zu vermuten, da die erfasste Welt keineswegs ein Abbild der wirklichen darstellt. Es sind nicht einmal auch nur annähernd ausreichende Modelle vorhanden, sodass man davon sprechen könnte, die Welt wäre in Modellen komplett erfasst. Der Bereich nichtidentischer Elemente ist unabschätzbar, vermutlich aber ist die erfasste Welt, der Bereich des Identischen unwägbar gering. Deshalb liegt es nahe im Bereich des Nichtidentischen Vermittlungen zu vermuten, die ebenfalls zu Wesen führen könnten. Auch ist es denkbar, dass Wesen dann plötzlich, scheinbar aus dem Nichts hervortreten. Der Geister- glaube, der hier eine Stützung erfahren könnte, ist etwas 272/9 anderes. Er setzt Regeln voraus, die dem Identischen zugehören und erklärt zugleich deren Urheber für fähig sie beliebig zu verändern. Ebenso die Seelen, sie sind körperlos gedacht, können aber sehen und empfinden. Solche Gebilde können nicht existieren. Zwischenwesen sind denkbar, die nicht den Ebenen zugeordnet werden können. Sie können nicht existieren, sind aber denkbar. Sobald Bestimmbares gedacht wird, ist es nicht mehr nichtidentisch. Alles was hervortritt, wirklich wird, wird identifizierbar. Fraglich ist nicht nur die Existenz fester Grössen sondern auch die Identifizierung einander differierender Elemente, mittels der Proportionen. Man erkennt sich an jedem Morgen als bestimmte Person wieder. Man vergleicht die Proportionen der Dinge zueinander. Aber alles verändert sich ungleich- förmig, und man ist nicht dieselbe Person wie einen Tag vorher. Zumindest aber bestimmte Grundelemente erscheinen stabil, der Chromosomensatz der Zellen, die Erinnerungs- moleküle, die äusseren Dinge wie Wohnung und Umgebung. Aber der Prozess, den eine Person ausmacht, hat sich verändert. Bei genauester Betrachtung haben sich auch die festen Dinge verändert. Die Positionen der Moleküle und Atome im Raum sind nicht die gleichen wie die vom Vortag. Könnte man den Mikrokosmos vermessen, so würde man sehen, dass auch die Elementarbausteine selbst sich verändert haben. Die Identifizierung gelingt dennoch. Sie gelingt durch Wachstum aller Elemente auf allen Ebenen. Das Wachstum ist jener Prozess der Gleichsetzung von Differierendem, der zugleich ein Drittes hervorbringt. Man erzeugt etwas Neues, indem man etwas vergleicht, und man identifiziert diesen Produktions- schritt mit anderen, die keineswegs gleich sind. Nicht- identisches wird für gleich gehalten, so sehr, dass die Existenz des Dritten übersehen wird und es scheinbar das bleibt was es gewesen war: Subjekt und Objekt von vorher. Mit diesem Täuschungsmanöver wird das Werden verdeckt, daher ist Wachstum nicht wirklich begreifbar. Warum ist aber überhaupt unter solchen Umständen noch erfolgreiches, zieltreffendes Handeln möglich ? Einen Hinweis darauf bildet das Beispiel der Verständigung durch Sprache. Jeder hat bei den Worten eine individuelle Vorstellung. Man hat eine Konvention, ein kollektives Lernen hinter sich, wenn man versteht was der Anderes sagt. Diese Konvention findet im Erfolg der Handlung seine Bestätigung. Auch der Erfolg ist jeweils individuell, und doch gibt es sehr ähnliche, fast identische Erfolge: Sättigung von Hunger usw. Wenn alle Dinge im Kosmos Leben sind, dann haben auch alle Bausteine eine der Sprache ähnliche Konvention erworben, anders wären Austausch und Wiederholung undenkbar. Die Fähig- keit der Wiederholung verlangt subjektive Fähigkeiten: Gleichsetzung von Ungleichem, Einverleibung, Ausscheidung, kurz: Produktion. 272/10 Zu dem Ausgeführten ist die Idee unbelebter Materie der Gegenpol. Man benötigt eine Grenze im Kleinsten, von der aus nicht weiter geteilt werden kann. Das Atom Demokrits und die Monade Leibnitzens sind unteilbar. Ebenfalls benötigt man Regeln, die überall gelten. Beide Voraussetzungen treffen nicht zu. Es gibt kein unteilbares Kleinstes und keine im Raum lose flatternden Naturgesetze. Verwunderlich ist, dass dies nicht bermerkt sein will. Leibnitz hätte auf die Unteilbarkeit verzichten können. Vielleicht ist es bei Allen die Furcht vor dem Bodenlosen, die schon Adorno diagnstiziert hat. Die Wiederholung ist der grundlegende Begriff, der geklärt werden muss nachdem sich zeigt, dass alles Feste aus wiederholten Bewegungsabläufe besteht. Eine Voraussetzung der Wiederholungen sind Konventionen unter ungefähr gleichen Einzelwesen, genauer: unter einzelnen relativ autonomen Bewegungsstrukturen. Das Prinzip der Gleichmacherei, sichtbar in der Zellteilung, ermöglicht die Produktion und Reproduktion annähernd gleicher Einzelwesen, die sich durch Zusammenschluss zu höheren Wesen individualisieren. Dann beginnt mit diesen Wesen der gleiche Prozess: Gleichmacherei, Zusammenschluss zu komlexeren, grösseren Wesen. Das hat nichts mit dem politischen Begriff der Gleichmacherei zu tun, wie sie in gewalttätigen Staaten geübt wird und genau betrachtet ein rein äusserlicher Akt der Gewalt ist. Organische Gleichmacherei und die vermutlich ähnlichen Prozese im subatomaren Bereich sind ein Wachstum, also wesentlich Lustgewinn und freiwillig in hohem Masse. Dies alles lässt die Frage offen ob hier der Evolutions- prozess vollständig erfasst ist. Der Begriff der Individualisierung steht für eine Gegentendenz zur Gleich- macherei, die nach den Grenzfunktionen zu erwarten ist. Sie verlangt eine Ungleichmacherei von oben, das heisst vom Steuerungszentrum ausgehend. Sichtbar ist dies bei der Spezialisierung der Zellen, die nach der Gleichmacherei und nicht davor geschieht. Die Computer mit ihrer Aufteilung in Hardware und Software, die festen und bewegten Speichern nahe kommen, lassen auch subjektive Prozesse ohne Steuerungszentrum denkbar erscheinen. Es wäre das Paradox von gesteuerten Subjekten ohne Steuerungszentrum. Dies ist etwas anderes als die Reaktion der Stoffe der Chemiker und der Kräfte der Physiker oder die Fusion im atomaren Bereich. Das Steuerungszentrum wäre denk- bar als Bewegungsstruktur, die mit ihren Wiederholungen das "Zentrum" bildet. Eine völlige Verlagerung des Wesentlichen in der Welt weg von den Dingen zu Bewegungen könnte daraus entwickelt werden. Hier sind aber nicht nur jene Bewegungen gemeint, die die Dinge ausmachen, sondern auch die Bewegungen der Interaktionen und des Wachsens. Das Chromosom wird aktiv durch Auffaltungen und letztlich Bewegungen. Als Ding betrachtet mit in den Molekülen gespeicherten Informtionen, wäre es nicht ausreichend komplex um das Leben zu realiseren 272/11 und zu reproduzieren. In der Bewegung ist das anders. Je nach Dekomprimieringsebene können mithilfe der festen Bauteile immer neue und weitere Bewegungsstrukturen entpackt bzw. neu verpackt werden. Die "Seele" wäre demnach ein Bewegungsablauf eines Steuerungszentrums, welches selbst virtuell also Bewegung ist. Nietzsches Zarathustra sagt einem Sterbenden:"Deine Seele stirbt noch rascher als dein Körper". Die Gleichartigkeit der Elemente könnte ein perspektivisches Produkt sein. Einmal ist der Grössenabstand zu erfahrbaren Dingen so gewaltig, dass die Atome eines Elements gleich er- scheinen müssen. Zum zweiten sind die Zeitstrecken und -Pro- portionen so unterschiedlich, dass, gmessen an der Lebens- dauer von Protonen die grossen Lebewesen nur kurz aufblitzen und wieder verschwinden. Die Latenzebene mit den nicht strukturierten Anhäufungen macht eine Ausnahme. Sie dauern ebenfalls sehr lang. Dies weiter spekuliert, sind grosse Wesen denkbar, die nur Bruchteile von Sekunden existieren um dann sofort wieder zu zerfallen. Künstliche superschwere Elemente dauern nur sehr kurz. Ein grosses Wesen, welches im Verhältnis zum Menschen so gross ist, wie wir zu den Atomen, würde uns vielleicht als unbeweglich empfinden und seiner Latenzebene zurechnen. Die schmale Palette des Identischen ist in einem sozusagen unbegrenzten Raum möglichen Nichtidentischen eingelagert. Was dort möglich ist, kann nur mit dem Eintritt in das subjektive Feld des Identischen erfahren werden. Man könnte, bildlich gesagt, die Spitzen von Eisbergen sehen, ohne jedoch zu wissen, dass der weitaus grösste Teil unsichtbar ist. Die nichtidentischen Bereiche sind aber keine Eisberge, sie sind nicht existent. Der Begriff des Existenten unter- liegt dem Paradox des Produktionsbegriffs: Nur wo produziert wird, erscheint Identisches. Und doch muss Nichtidentisches mehr sein als nur der nicht produzierte Bereich, den die Produktion der Subjekte nicht erfasst hat. Zugleich kann es nicht existieren. Das Nichtidentische ist in verschiedenen Perspektiven notwendig. Das menschliche Dasein ist nicht völlig definier- bar.Sowohl in seiner Geschichte als auch in seinen Produktionen ist es nichtidentisch und daher offen. Zugleich wird ein offenes Unbestimmtes gedacht, in welches hinein produziert wird. Das Erstaunliche ist die Fähigkeit, aus Bewegung, also strukturell Nichtidentifizierbarem Festes zu erzeugen. Jeder Schritt dieser Produktion von Identischem ist ein Wagnis, welches durch Wiederholungen über Jahr- millionen hinweg offensichtlich gemildert wurde. So ist Ernährung ein "Für-Gleich-Halten" jener Stoffe, die identifiziert und als verdaulich einverleibt werden können. 272/12 Die verkürzte Wiederholung der evolutionären Geschichte der Organismen im Fötus zeigt die Entfaltung von Speichern, die selbst Bewegungen sind. Die Menge der Speicherbausteine bestimmt nicht allein die Dichte und Menge der gespeicherten Daten sondern die Frage der Komprimierung und Überschreibung, die bei gleichzeitigem Erhalt der wesentlichen Elemente der vorherigen Datenstruktur möglich ist.- Die Zeit in Verbindung mit der Menge der Komprimierungsvorgänge und ihrer Qualität bestimmt bei vergleichsweise gleicher Menge der Speicherbau- steine die unterschiedlichsten Gesammtdatenmengen. Aber es gibt auch Verkürzungen in diesem Prozess, denn die voll- ständige Wiederholung der Entwicklungssgeschichte würde auch die vollständige Zeit in Anspruch nehmen. Wie werden die Verkürzungen gemacht ? Unschärfe aller Begriffe. Das heisst, die Wiederkehr von Konstellationen, Nietzsches Wiederkehrtheorie ist nicht möglich, aber Annäherungen daran. Ich nenne diesen Zyklus den Pseudo-Wiederkehr-zyklus. Zahlenmässig lässt er sich kaum darstellen, da bereits die Lebensdauer der Protonen 1 mal 10 hoch 74 beträgt und die Frage ist, welche Bausteine als Grundlage genommen werden können. Die Quarcks vielleicht, solange man keine kleineren Bausteinme findet. Natürlich verträgt sich dieser Gedanke, ein im Grunde identitäts- logisches Modell nicht mit dem bisher Gesagten. Aber als kontrastierendes Hypothesengebäude kann es vielleicht nützlich sein. Einmal davon ausgegangen, das die definierbare Grösse, die zum ersten Mal in der kosmischen Geschichte überhaupt die Produktion ähnlicher Dinge ermöglicht, unausdenkbar lang gewesen sein muss, so ergibt sich daraus, dass die Ent- wicklungsdauer von Kernbausteine, ihre eigene Evoltuion eben- falls unausdenkbar viele Weltenalter benötigt hat. Alle diese Prozesse zusammengenommen ergeben einen Zyklus einer Pseudowiederholung, der ebenfalls in Zahlen nicht ausdrückbar ist. Unschärfe der Begriffe. Das Bild der Überschreibung und Kompri- mierung kann als Modell dafür dienen, dass nichts was gleich erscheint gleich ist. Zwei Gleiche Dinge können sehr unter- schiedliche Verdichtungen von Daten in sich tragen ohne dass es von Aussen bemerkt werden würde. Hier ist subjektive Bündelung und Tätigkeit nötig um überhaupt Identisches zu schaffen. Produktion auf allen Ebenen heisst nichts anderes als Vermehrung auf allen Ebenen. Die Materie, Energie und abgelaufene Zeit im Kosmos nehmen zu. Aus subjektiver Perspektive ist es ein ständiges Eintreten von Ereignissen aus der Nichtsschwelle ins Subjekt. Austritt hinter die Nichtsschwelle ist ebenfalls überall zu sehen. Aber das Subjekt erlebt den Austritt immer nur als Produktion, da es subjektiv ohne Ende ist. Deshalb kann von einem Gleich- gewicht zwischen Austritt und Eintritt nicht ausgegangen werden. Ein Schrumpfen ist ganz unmöglich, da Produktion immer ein Drittes, also Vermehrung ist. Darin trifft 272/13 Nietzshes Wille zur Macht den Kern der Wesen. Er irrt aber hinsichtlich des Kampfs. Dieser schafft kein Gleichgewicht zwischen Vermehrung und Schrumpfung. Das relativistische Bild vom sich ausdehnenden Raum ist die Entsprechung zum Produktionsgedanken. Der Gleichgewichtsgedanke, gleich wo er angewendet wird, ist ein identitätslogischer Ansatz. Er findet nirgendwo eine reale Entsprechung. Das Nicht- identische, die Produktion und die Vermehrung sind einander verzahnt. Das Verschwinden, Schrumpfen sind nur objektiv, also Bestandteile des subjektiven Produktionsprozesses. Die Dinge zerfallen, der Prozess geht pausenlos weiter. Unter dem Blickwinkel objektiv aufgefasster Bewegungen sind verschwindende Objekte ebensolche Bewegungen, wie ihre Entstehung es ist. Der qualitative Unterschied ist Bestand- teil subjektiver Produktion. Das Subjekt endet nicht, da es sich selbst nie Objekt ist. Von aussen gesehen zerfällt es. Aber von Aussen gesehen ist Zerfall selbst eine subjektive Produktion, also Bewegung. Die Beobachtung eines Sterbens ist das Verlöschen eines Dinges, welches sich im Beobachter als Produktion darstellt. Die Produktion setzt eine Addition voraus. Ohne Geschichte keine Vermehrung. Ob aber diese Struktur mehr ist als subjektive Perspektive ist offen. Denn der Augenblick des Erlebens, der einzige mögliche subjektive Beweis, ist un- durchführbar. Was vor diesem Augenblick gewesen war, ist vergangen, was kommt ist noch nicht da. Es wäre durchaus ein gleichbleibendes Kontinuum denkbar. Aber es gibt dafür weniger Beweise wie für die Vermehrung. Produktion ist die immer wieder zu findende Struktur, das letzte Objektive. Die Idee der Unsterblichkeit der Seele ist möglicherweise aus diesem subjektiven Empfinden abgeleitet. Wenn Marc Aurel betont, dass ihn körperliche Beschwerden nicht selbst betreffen, so meint er ein unzerstörbares Inneres, sein Selbst. Die Bewegungen sind nicht nur unzerstörbar, sondern sie sind gar nicht existent, sie haben nichts Dinghaftes, deshalb sind sie nicht zerstörbar. Aber sie haben auch sonst nichts Beständiges. Das Selbst ist nichts Beständiges sondern ein Produktionsprozess, der die Identifikation von Bewegungen als Selbst im Augenblick hervorbringt. Die Unschärfe der Begriffe und die Stellen hinter dem Komma in den Modellen zum Nichtidentischen sind bezogen auf das Ganze Verharmlosung. Nur in einem überaus schmalen, durch Experimente und Lebenserfahrungen gedeckten Bereich kann von identischen Prozessen die Rede sein. Die Tatsachen, dass Motoren, die Atombombe und die Sondenraumfahrt funktionieren sind Exempel identischer Prozessse. Gleich dahinter ist es vorbei, dort gilt Abgrund. 272/14 Der Widerspruch ist ein zentraler Kern des Lebens, aber er wird produktiv gelöst, indem ein Drittes entsteht, welches als Zutreffendes erscheint. Das Gefühl des Zutreffenden belohnt seinen Erzeuger durch Selbstbefriedigung des Geistes. Insofern ist die Wahrheit eine stets konstruierte. Dort wo es unbequem wird, gibt es Ausweichdenken. Deutlich wird es beim Umgang mit allen der Produktion widersprechenden Einsichten. Der Gedanke, dass Wahrheit nicht in einer Gleichung von zwei Grössen gefunden wird sondern eben so nicht möglich ist, führt zu unerwünschten Gefühlen. " Dass ich verbannt bin von jeder Wahrhheit, nur Narr nur Dichter", sagt Nietzsche resigniert. Eine der zentralen Lebenstechniken ist es, sich die Zusammenhänge praktikabel und übersichtlich zu machen. Produktion wird als Bewusstsein einer abgebildeten Realität gedeutet, das Nichtidentische in einem kohärenten Kosmos verdeckt. Die äusserste Stufe davon ist die Gleichsetzung von, Gott, Allerweltsvortellung oder wissenschaftlichem Modell mit Wahrheit. Leibnitzens Monaden percipieren das ganze Universum, weil sie von allen anderen Reize empfangen, von den nächsten direkt, von den ferneren über die dazwischen liegenden. Da sie lebendig sind und unzerstörbar, gleichen sie dem kosmischen Bewusstsein der indischen Philosophie. Zutreffend ist diese Philosophie als Beschreibung des Ichs im Augenblick. Das Ich kennt nur Bewusstsein. Alles was überhaupt geschieht, ist Bewusstsein des Ichs. Dieses Bewusstsein scheint ebenso in anderen Menschen, schwächer ausgeprägt auch in Tieren zu sein. Weil aber ein einzelnes alles umfassendes kosmisches Bewusstsein an der Grenze des Ichs scheitert, liegt Leibnitz näher an dem uns selbstverständlichen Bewusstsein als die indische Philosophie. Mit etwas religiöser Schwärmerei lässt sich das kosmische Bewusstsein der Inder simulieren. Der enorm komplexe und komplizierte Aufbau der Organismen kann aus zwei Perspektiven untersucht werden. Die erste zeigt die beobachteten Strukturen als Produkt des Dritten, also nicht als objektive Strukturen einer Entwicklungs- geschichte sondern als Ergebnisse subjektiver Produktionen, die selbst Zeitstrecken hervorbringen, sodass die Komplexität erst entsteht im Augenblick der Produktion. Was ausserhalb dessen war, ist nicht existent, es zu denken nur Scheinprodukt. Die zweite Perspektive geht aus von einer langen Entwicklungsgeschichte von Lebensformen, die immer grössser und komplexer werden. Wenn diese Entwicklung klassisch biologisch aufgefasst wird, so sind alle organischen Wesen nicht älter als etwa 4 bis 5 Milliarden Jahre. Wenn die Elementarteilchen auch als Lebewesen aufgefasst werden, so könnte die Entwicklungsgeschichte etwa 15 - 20 Milliarden Jahre alt sein. Wenn die Quarcks als Lebewesen aufgefasst werden, so könnte die Entwicklungsgeschichte 1 mal 10 hoch 72 Jahre sein und mehrere Zyklen der Entstehung von Universen dauern. In diesem Falle wären in den Quarcks die kompletten Strukturen aller höheren Formen rudimentär, verkürzt und 272/15 komprimiert gespeichert, vergleichbar den Chromosomen. Wenn man auf Zufälle und Götter verzichten will, hat die Erstreckung in derart grosse Zeiträume den Vorteil der besten Plausiblität. Das Dritte ist ein Paradoxon. Der Widerspruch zwischen subjektiver und objektiver Perspektive ist in ihm gelöst und nicht gelöst. Das Paradoxon zeigt die subjektive Gewissheit und Zeitlosigkeit sowie die Unbestimmbarkeit des Objekts, und zugleich die objektive Perspektive mit einer Welt von Objekten auf bodenlosem Grund. Alle drei Grössen sind vermittelt über identische und nichtidentische Strukuren. Der Begriff nichtidentischer Struktur ist aber schief, es fehlt ihm jegliche Bestimmbarkeit. Der praktisch denkende Mensch fragt nach dem Nutzen geistiger Arbeit, der künstlerische nach den Höhepunkten. Beide Möglichkeiten der Produktion sind begrenzt von der Höhe der Freiheit. Ohne Freiheit keine Sprünge ins Ungewisse der Ästhetik und ohne diese keine Veränderungen der Praxis. Aber die nichtidentischen Momente gehen ihre eigenen Wege. Wo Freiheit war, entsteht Unfreiheit. Das Absterben der Zivilisationen und die Unfreiheit des tierischen und vertierten menschlichen Lebens sind die Folgen dort einer Befangenheit in neu erworbenen Fähig- keiten, hier Folge der Erstarrung der Evolution. Um beides zu verhindern geht der Impuls der Freiheit mit seinen geistigen Kräften ins Äusserste der Existenz. Je tiefer er hinabragt und je weniger er nach Nutzen fragt, ums so reiner zeigt er die Grenzen des Bisherigen und die Visionen der Zukunft. ---------