Fred Keil Psychologische Strukturmodelle 3 Aachen Dez.00
Wirkungsweise der Hemmechanismen und allgemeinen Mechanismen mit hemmender Wirkung
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Darstellung aller Mechanismen:
Der Kreissektor zeigt 5 Schichten. Die 1., der biologische Kern, dem die ererbten Mechanismen der Schicht 2 zugehören.Diese haben wie alle anderen auch Verknüpfungen mit den Denkmechanismen und den Neuronen des Gehirns. Die 3. Schicht enthält die muskulären Panzerungen und Hemmechanismen, die im Grundmodell Teil 1 entwickelt wurden. Ferner solche Mechanismen, die eintrainiert wurden und nicht dem pathologischen Kreis zugehören. Die Grenze zwischen diesen und den pathogenen dürfte fließend sein. Die 4. Schicht enthält solche Mechanismen, die durch Disziplinierungen aller Art erworben wurden und nicht den pathogenen Mechanismen zugehören. Das bedeutet, sie sind leicht veränderbar und gleichen darin den Denk- mechanismen.
Die 5. Schicht enthält die Denkmechanismen.
Hemmechanismen haben neben ihren Fähigkeiten Trieb- impulse umzulenken, ihre ursprüngliche Entladungsbahn zu hemmen und Energie zu speichern andere Fähigkeiten, die aus ihrer Verknüpfung mit anderen Steuerungszentren resultieren. Dazu gehören die Bildung zielgerichteter Handlungen, gewollte Aggressionen und in letzter Konsequenz die Bildung eines aggressiven Charaktertyps. Das Gleiche gilt für die elementaren Mechanismen mit hemmender Wirkung.
Diese Verknüpfungen erfassen alle Schichten des Subjekts. Die zielgerichteten Entladungen von Aggressionen zeigen Verknüpfungen zu bestimmten Vorstellungen, Bildern und Denkelementen, ohne die keine gerichtete aggressive Handlung denkbar wäre.
Die aggressive Handlung setzt pathogene und andere Arten von potentiellen und angestauten Aggressionen frei, aber auch zusätzlich mobilisierte Energien. Die Hemmechanismen lenken auch diese Energien in die aggressive, aktivierte Bahn und verstärken die Handlung.
Interessant ist, daß auch ohne Verankerung des Hemmechanis- musses der pathogenen Aggression, etwa bei Völkern in der Vorgeschichte mit sexualbejahenden Gebräuchen, aggressive Verhaltensweisen mobilisiert werden, die auf Mechanismen schließen lassen, die dem Mechanismus der pathogenen Aggression ähnlich sind. Es gibt offensichtlich solche elementaren Mechanismen mit hemmender Wirkung.
Wie werden diese Mechanismen erworben und wie sind sie beschaffen ? Die kriegerischen Auseinandersetzungen aller Stämme der Vorgeschichte in allen Kontinenten setzen eine Erziehung voraus, die wichtige, überall ähnliche Merkmale haben muß. 1. Anwesenheit von Furcht vor einer kriegerischen Niederlage. Diese Furcht wird durch Erziehung und religiöse Rituale verstärkt und in potentielle Aggressivität umgewandelt. Dies entspricht dem Grundmuster der Tiere, die den Flucht- impuls zur Aggressivität umformen. 2. Unterordnung unter Häuptlinge, Älteste, Medizinmänner und Priester. Umwandlung der potentiellen Aggressivität in angepaßtes "unterwürfiges" Verhalten. 3. Gelenkte Entladungsmöglichkeiten in Angriffen auf Nachbar- stämme, später in Kriegstraining, Zweikämpfen usw. 4. Erwerbung von Auslöse- und Mobilisationsmechanismen. Dazu gehören Freund- Feindbilder, Rechts- und Unrechts- empfinden, Ideologie und Sitte.
Bestimmte elementare Hemmechanismen sind ererbt. Dazu gehören die Tötungshemmung gegenüber Artgenossen, Angriffshemmung gegenüber Clanmitgliedern, Kindern und Frauen, also spe- zifische Aggressionshemmungen. Sexuelle Hemmungen gegenüber menstruierenden und kranken Geschlechtspartnern. Flucht- hemmungen bei Müttern, die ihren jüngsten Nachwuchs ver- teidigen u.a.
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Sämtliche Elemente sind innerhalb des Subjekts angeordnet: Der schwarze Balken stellt den biologischen Kern dar. Ph die Pheripherie, ist als geschlossener Kreis zu denken. Mit dem Kern verwachsen sind die ererbten Mechanismen: T.H für Tötungshemmung und Aggressionshemmung, F.H für Fluchthemmung, A.H. für andere Hemmungen.
Der Impuls a2 als sexueller Impuls wird vom Mechanismus M1 "pathogene Aggression" gestaut umstrukturiert und als b2 dem Mechanismus M2 "unterwürfiges Verhalten" zugeführt und mit den Denkmechanismen (Dm) verkoppelt als Verhalten c1 verarbeitet und entladen. Die Bahn b führt zu agressivem Verhalten.
Der sexuelle Impuls a zeigt eine ungestörte sexuelle Handlung, die durch einen angekoppelten Denkmechanismus (Dm) realisiert wird.
Der Mechanismus F.H Fluchthemmung führt dem M2 Energie zu und realisiert sich ebenfalls in einem Verhalten c2 unter- würfiges Verhalten, Demutsgebärde usw. Er kann sich aber auch in einer Fluchthemmung äußern, die unspezifisch ist oder zu einer Angriffsverteidigung führt.
Aus dem Mechanismus A.H andere elementare Hemmungen, kommt ein sexueller Impuls d, der durch hormonelle und Geruchs- beeinflussung verändert worden ist und dazu führt, daß im Verhalten d eine Vermeidung des Sexualobjekts realisiert wird.
Die Entladungen erfolgen nicht gleichzeitig, sondern getrennt und in verschiedenen Situationen. Zwischen den Mechanismen der obersten Schicht sind Verknüpfungen gezeigt.
Der Impuls b2 von M1 zu M2 stellt einen Fall gehemmter Aggression dar, die in einer angepaßten Verhaltensweise c2 realisiert wird.
Der Impuls e ist eine Mobilisierung, die nicht von Hemmechanismen beeinflußt ist. Dazu gehören: Aktionen zur Nahrungsaufnahme, elementare Reaktionen: bestimmte Reflexe, Aggressionen usw.
Der Mechanismus Mx steht für die Gruppe von Mechanismen, die verschiedenste Impulse f zu trainiertem und erlerntem Verhalten verarbeiten. Dahin gehören vermutlich solche Erziehungstechniken, die nicht mithilfe der großen Mechanismen M1 M2 operieren.
Historisch-soziologische Dimension
Unter dem Einfluß der Psychoanalyse wurde der Aggression, die aus bestimmten Formen der Sexualunterdrückung ent- steht eine herausragende Bedeutung zugewiesen. Der in Europa explosionsartig sich vermehrende "Faschismus", der genauer gesagt vorwiegend aus Nazitum und Stalinismus bestand, hat diesem Ansatz seine Berechtigung verliehen. Er hat aber auch eine wichtige Komponente in den Schatten gestellt: Die Mechanismen der Fluchthemmung und die darüber gelagerten depressionsähnlichen Mechanismen, die mit dem "Masochismus-Mechanismus" teils zusammenfallen und teils auch gesondert auftreten. Zu Recht ist von verschiedenen Denkern bemerkt worden, daß ohne die "Kränkung" der Deutschen durch den Versailler Friedensvertrag und die Hungersnöte zwischen den Weltkriegen, die Nazis nicht hätten zur Macht kommen können. Ebenso hätte auch die Weiterexistenz des kaiserlichen Hauses die Machtergreifung durch die Nazis unmöglich gemacht.
Welche Mechanismen waren neben dem der pathogenen Aggression bedeutend in der Psychologie der Bevölkerung ? Hungersnöte bedeuten vor allem Mobilisierung von Flucht- impulsen und die, ihrer Vereitlung folgenden aggressiven Energien. Der Verlust des Ansehens der Deutschen, durch die Abschaffung des Kaisertums allen sichtbar, beschädigte das Selbstbild der Deutschen, was durch den Friedens- vertrag und den ihm folgenden materiellen Entbehrungen auch zugleich elementar schmerzhaft zu spüren war. Dabei ist es ohne Bedeutung, daß die Weltwirtschaftskrise zufällig die gleichen Nöte beförderte. Sichtbar waren vor allem die materiellen Strafen und der Selbstwertverlust durch die gekappte traditionelle politische Spitze.
WAhrscheinlich wären ähnlich radikale Bewegungen wie der Nationalsozialismus in der damaligen Situation Deutschlands auch ohne den Mechanismus der pathogenen Aggression möglich gewesen, wenn auch vielleicht in einer weniger häßlichen Gestalt. Vergleiche mit ähnlichen radikalen Bewegungen in der menschlichen Geschichte lassen diesen Schluß zu. Worin besteht der entscheidende Unterschied zwischen den frühen radikalen Bewegungen in der Geschichte, sofern sie ohne die rigide Sexualmoral auftraten und dem "Faschismus" in Europa ? Massemorde und Folterungen sind so alt wie die menschliche Geschichte und vermutlich noch älter. Neu ist hingegen die massenhafte Einrichtung pathogener Aggression durch unter- drückte Sexualität und behindertes Paarungsverhalten. Deren Ursprung fällt zusammen mit der Ausbreitung sexual- feindlicher Religionen, besonders des Christentums. Soziologisch ist der Unterschied mühelos sichtbar: Während frühe radikale Bewegungen zu Kolonisierung und langfristiger Vermehrung führten, sind alle radikalen Bewegungen seit der Herrschaft des Christentums immer auch der Beginn von Bevölkerungsverlusten. Dahin gehört das Absterben Roms, das Schwinden der angelssächsisch und westeuropäisch abstämmigen Bevölkerung in Nordamerika. Das Absterben altfranzösischer Bevölkerung seit den Napoleonischen Kriegen und zuletzt das rasante Schrumpfen der altstämmigen deutschen Bevölkerung seit dem Ende des ersten Weltkrieges.
Anders ist die Lage in China, dessen Bevölkerung weder Chistentum noch Schrumpfung kennt. Wohl ist die Sexualität der jungen Chinesen stark re- glementiert durch das Mindestalter für Eheschließung und Ächtung vorehelicher Sexualität. Dies wirft die Frage auf, ob der Begriff der Sexualunterdrückung ausreichend ent- faltet worden ist. Es erscheint doch so, daß die religiös ideologische Ächtung der Sexualität im Christentum offen- sichtlich verheerendere Folgen für die Familienbildung hat als die Reglementierungen in China, denen aber die Ächtung der Körperlichkeit, so vermute ich, weitgehend fremd ist.
Die Städtebildung wirkt wahrscheinlich ebenfalls negativ auf die Population. Spengler hat hinsichtlich der verlassenen bzw. aussterbenden antiken Städte in Südostasien und Mittelamerika, Griechenland und dem gallischen Rom darauf aufmerksam gemacht.
Die Schichtungen der verschiedensten Mechanismen und Steuerungsgruppen im Individuum sind im, Bild, auch als Baumstruktur darstellbar. Unten bei den Wurzeln ist der Bereich der organischen Basis mit den instinkthaften psyhologischen Mechanismen. Die starken Vergabelungen der unteren Äste sind die erworbenen Hemmechanismen, getragen vom Stamm als den Körperhaltungen und muskulären Panzerungen. Dann folgen die zahlreichen mitleren Äste, hier die sekundären Mechanismen und Steuerungselemente. Zuletzt die Denk- mechanismen in Gestalt der sehr zahlreichen Verästelungen, die die Blätter tragen. Modell A
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B zeigt eine Baumstruktur, in deren Teil b1 Reste einer ererbten Baumstruktur eingeschmolzen sind. Bei einer Regression ist es denkbar, daß diese Reste aktiviert werden: b3 und die feineren Verästelungen der Denkmechanismen dieser rudimentären Struktur: b4, eine scheinbar andere Persönlichkeit hervorbringen. Diese wäre dann ein Mischgebilde aus der lebenden Person und den Rudimenten des Ahnen. Wenn die Regression durch eine Rekonstruktion des Ichs beendet wird, tritt wieder der Zustand b1/b2 ein.
Mit diesem Bild lassen sich bestimmte Eigenarten des psychischen Geschehens darstellen. Veränderungen an den Wurzeln und am Stamm verändern auch die feinen Endzweige, allerdings nur unter dem Einfluß großer Kräfte wie Schock, Trauma, starke Verletzungen. Veränderungen in den Spitzen der feinen Aste benötigen weniger Kraft, sind aber auch nicht von bedeutendem Einfluß auf die weiter unten liegenden stärkeren Ästevergabelungen, sofern nicht sehr viele der Spitzen verändert werden. Die Kräfte, die nachhaltig die Denkstruktur verändern können, müssen über lange Zeit wirken, können aber schwach sein, wenn sie nach und nach die Spitzen einzeln verändern. Die Vergangenheit wirkt doppelt im Individuum weiter. Einmal in Gestalt der persönlichen Entwicklung, deren schichtartige Ablagerungen den Charakter bilden. Zum Anderen in den ererbten Sedimenten, die teilweise auch die Persönlichkeitsrudimente der Vorfahren enthalten. Ausdrücklich halte ich die Positionen Lamarcks für gültig. Allerdings ist die Fragestellung der Vererbung erworbener Eigenschaften nicht damit zu lösen, daß nach der Vererbung von Fähigkeiten gesucht wird, die von außen definiert werden. Es gibt möglicherweise keine einzige vererbare Eigenschaft, die sich als definierte Begabung nachweisen läßt. Aber die Grundlagen, die zu definierbaren Fähigkeiten sich entfalten, werden vererbt. Eine mathematische oder muskalische Begabung wird vielleicht nicht vererbt, aber die ihnen zugrunde liegenden erworbenen Dispositionen werden vererbt, Erinnerungsreste der Erlebnisse der Ahnen ebenso. Die Auseinandersetzung mit dem Darwinismus, der unkritisch nur im Sinne eines Ausschlusses der Thesen Lamarcks verstanden wird, kann hier nicht weiter entfaltet werden. Die ererbten Rudimente der Persönlchkeiten der Vorfahren sind, im Bild, Reste ältere Baumstrukturen, die in den Baum des heran- wachsenden Individuums eingeschmolzen werden. In der grafischen Darstellung treten deshalb inmitten der tieferen, kräftigen Ästevergabelungen Elemente der vererbten Strukturen auf, auch in Form feiner Verästelungen, die ursprünglich zu höher gelegenen Teilen der Baumtrukturen der Ahnen gehörten. Besonders die noch zu besprechenden Verhaltensweisen von Säuglingen zwingen zu diesem Konstrukt. Wie Le Bon bereits entwickelte, treten in Regressionszuständen keineswegs nur tief liegende Mechanismen zutage, sondern komplexe archaische Persönlichkeiten scheinen aus den Gräbern wieder aufzu- erstehen. Die Erklärung des Grundmodells ist eine der möglichen, aber nicht ausreichend für diese Erscheinungs- bilder.
Indizien für die Vererbung der von Vorfahren erworbenen Eigenschaften finden sich bei Säuglingen und Kleinkindern. Allerdings sind sie schwer erkennbar. Das erste und zweite eigene Kind werden oft überhaupt nicht verstanden. Beim Dritten lassen sich die Erkenntisse der ersten zwei Kinder verwerten. Bei meinem sechsten Kind waren dann die Verhaltens- weisen des Säuglings verstehbar. Bei einigen Kindern sind autodidaktische Techniken des Lernens zu sehen gewesen. Marie, eins der ältesten Kinder, zeichnete in Alter von drei Jahren in einem kleinen Notizbuch 60 Seiten in einem Arbeits- gang. Dabei entwickelte sie geometrische Formen und andere Figuren, die sich aufeinander bezogen und logisch abgeleitet waren, ohne daß sie etwas hätte abgucken können. Friedrich, das drittältese Kind hatte in den ersten 2,5 Jahren eine Lautsprache, die an Affenlaute erinnerte. Er entwickelte sie systematisch weiter, sodaß er sich völlig verständlich machen konnte. Im 8. Lebensmonat griff er den Griff einer Truhe und sagte: "Griff", um demonstrativ zu zeigen, daß er auch sprechen kann. Ulysses, mein achtes Kind hat seit dem 5. Lebensmonat eine Gitarre, die er nun systematisch erkundet. Zunächst tastete er vorsichtig nach den Seiten, dann zupfte er behutsam, dann fester. Nach eingen Tagen begann er sich mal für die hohen ein anderes Mal für die tiefen Saiten zu interessieren. Der Ausgangspunkt war: Als er im 8.Monat der Schwangerschaft ein Gitarrensolo hörte, wurde er im Bauch aktiv und zeigte starke Reaktionen auf die Gitarre. Diese Beispiele zeigen die Begabungen früherer Generationen und deren Vererbung-, aber nicht so deutlich wie beim Auftreten von Interessen, die kein Elternteil hatte, aber bei Großeltern oder noch weiter zurückliegenden Ahnen vorlagen. Friedrich interessierte sich bereits mit 6 Monaten für Kabel und Stecker, sein Großvater mütterlicherseits ist Elektriker. Friedrich hat ihn nie bei der Arbeit gesehen, da der Großvater weit weg wohnt und in der Freizeit keinerlei Interesse hat, sich mit Elektrosachen zu befassen. Besonders eindrucksvoll ist jedoch die Wiederkehr mimischer Abläufe bei Säuglingen in den ersten Lebenstagen, die sich schwer beschreiben lassen. Sie zeigen oft Wesenszüge der Eltern oder Großeltern, in einem Fall sogar der Ururgoßeltern, die dann nach einigen Wochen fast völlig verschwinden. Die Vererbung über die weibliche Linie dürfte Vorrang vor der männlichen haben. Ich denke daran, daß die Eizelle mit den Mitochondrien weibliche Eigenschafen vererbt, die Jahrtausende zurück verfolgt werden konnen, während die männlichen Anteile durch die ständigen Umbauten der DNS in jeder Generation verwandelt werden. Die Frage stellt sich, ob es neben dem genetischen Erlernen und der Weitergabe an die nächste Generation auch eine Kommunikation zwischen den Geschlechtspartnern gibt, über die hormonelle und sprachliche hinaus, die sich ebenso genetisch manifestiert, sodaß der Eine vom Andern auch genetisch "lernt".